Die Tage werden immer kürzer und die Nächte dunkler. Wenn wir keinen Strom haben, schreibe und übersetze ich vor Kerzenlicht, wie es Menschen seit Jahrhunderten taten. Obwohl es für Laptoparbeit wenig praktische Bedeutung hat, fühlt es sich seltsamerweise gut an. Die flackernde Kerze bringt mir ein bisschen Freude und Hoffnung. Es ist zwar nicht viel, aber manchmal reicht es aus.
Wenn der Luftalarm ertönt, schließe ich mir die Ohren. Es gibt genug Lärm in meinem eigenen Kopf. Viele Fragen, die mich manchmal innerlich überwältigen. Aber es ist in Ordnung. Das bedeutet, ich habe ein großes Interesse an der Welt und mir selbst. Trotz aller herzzerreißenden Ereignisse und schwerer Emotionen.
Die Emotionen sind nur dann schwer, wenn ich sie falsch deute. Man könnte das mit einer falschen Übersetzung vergleichen. Warum fühle ich eine große Trauer für viele Menschen, die Opfer dieses Krieges wurden und die ich gar nicht kannte? Die Welt hat nur eine Erklärung für mich: So ist es im Krieg. Aber ich habe für mich noch eine Antwort gefunden. Vielleicht bin ich einfach ein empathischer Mensch, vielleicht sogar ein guter Mensch, der mit dem Leid anderer mitfühlt.
Warum fühle ich so viel Ärger, wenn ich in den Nachrichten von einem erneuten Raketenanschlag in meiner Heimatstadt und anderen ukrainischen Städten lese? Ganz einfach: Ich möchte sie beschützen. Dieser glühende und wilde Ärger treibt mich an, so stark zu werden, dass ich sie alle retten könnte. Es ist eine kindliche Fantasie. Natürlich ist das in der Realität unmöglich. Ich atme tief ein und aus. Der Ärger verfliegt langsam.
Ich spüre eine tiefe Todesangst. In diesen dunklen Tagen konnte ich sie endlich erkennen und benennen. Doch sie war schon immer da. Jedes Mal, wenn ich mir große Sorgen ums Geld machte und in der Arbeit dissoziierte. Wenn ich misstrauisch gegenüber meinen Nächsten war. Wenn ich mich krank fühlte, obwohl ich es nicht war, und Panikattacken bekam. Selbst die Todesangst, diese tiefe Dunkelheit, die mich zu übermannen droht, hat etwas Positives. Sie hat eine Botschaft, die ich am wichtigsten finde. Ich will nicht "sterben müssen", wie zuletzt geschrieben. Ich habe ein starkes Verlangen, noch lange zu leben. Ich spüre in mir den unbändigen Willen, dies zu erreichen. Also werde ich überleben. Ich erlaube mir keine anderen Optionen.
Außerdem gibt es auch Licht. Und zwar nicht das "Licht am Ende des Tunnels". Es sind die Worte, die wir einander sagen. Es sind einfache Sätze wie "Du unterstützt mich", "Ich freue mich, dass es dich gibt". Oder längere Sätze wie "Ruf einfach an, wenn du mich brauchst" oder "Du darfst gerne spontan vorbeikommen". Meine Freundin aus Kyjiw hat mir eine Postkarte geschickt. Darauf steht: "Wenn du Licht brauchst, soll es immer da sein."
Daryna Melashenko ist 29 Jahre alt und ist von Bojarka bei Kiew nach Lemberg zu einem Freund geflohen.


