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Bundespräsident für sechzig Sekunden

Da sonst niemand will: Wären Sie nicht gerne einmal Staatsoberhaupt?

Alexander Purger

Der eine ist zu jung, der andere fühlt sich seinem Bundesland verpflichtet, der dritte hat eine andere Lebensplanung. - Mit all den Kandidaten, die zur Zeit nicht Bundespräsident werden wollen, ließen sich problemlos sämtliche Räume der Wiener Hofburg füllen. Und das sind wahrlich nicht wenige.

Man sollte an das staatsoberhäuptliche Problem daher anders heran gehen. Etwa so wie die Schweiz. Die Schweizer halten sich keinen eigenen Bundespräsidenten, sondern die Mitglieder der Regierung erledigen das Amt im Rotationsprinzip mit. Ein Jahr ist dieser Minister Bundespräsident, im nächsten Jahr ein anderer. Sozusagen im Nebenerwerb.

Gegen diese Lösung spricht allerdings, dass sich unsere rot-schwarzen Minister sicher niemals darauf einigen können, wer anfangen darf, weshalb man das Schweizer Modell vielleicht auf die gesamte Bevölkerung ausdehnen sollte. Dazu folgende interessante Zahlen:

Die Amtszeit des Bundespräsidenten beträgt (die Formsache der Wiederwahl eingerechnet) zwölf Jahre. Inklusive Schalttage sind das 4383 Tage oder 105.192 Stunden oder 6,311.520 Minuten. Diese Minutenanzahl entspricht ziemlich genau der Zahl der laut Bundesverfassung theoretisch möglichen Bundespräsidenten. Rund sechs Millionen Einwohner unseres schönen Landes sind älter als 35 Jahre, österreichische Staatsbürger und einigermaßen unbescholten. Das heißt, man könnte das Amt des Bundespräsidenten problemlos unter sämtlichen Inhabern des passiven Wahlrechtes rotieren lassen. Jeder wäre bis zum Jahr 2028 sechzig Sekunden lang Staatsoberhaupt. Eine transparentere, demokratischere und bürgernähere Lösung ist kaum denkbar.

Man stelle sich nur die Identifikation mit dem Staate vor, die eine solche Rotation mit sich brächte: 2028 ist jeder ein Altbundespräsident! Jede Behausung in Österreich, ob Wiener Gemeindebauwohnung oder Innviertler Vierkanter, war Präsidentschaftsvilla! Jede Ehegattin war eine First Lady, jeder Ehegatte ein First Husband! Und umgekehrt.

Jeder Österreicher wäre mit den Großen der Welt auf Du und Du gewesen, jeder könnte auf einen tief schürfenden (wenn auch nur sechzig Sekunden währenden) Gedankenaustausch mit ausländischen Staatsoberhäuptern zurück blicken. Das heißt, wir alle hätten jetzt Vladimir Putins Gedanken und er unsere.

Auch die Last der Staatslenkung würde auf alle Schultern verteilt. Jeder von uns müsste sich überlegen, ob er Heinz-Christian Strache (oder Werner Faymann) zum Bundeskanzler angeloben würde. Man kann ja nie wissen, ob man nicht im entscheidenden Moment gerade Bundespräsident ist. Wie gesagt: Eine demokratischere Lösung ist kaum denkbar.