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Das Eichhörnchen, sein Schweif und die Koalition

Was Ordensverleihungen und das Innenleben der Bundesregierung miteinander zu tun haben.

Alexander Purger

Es ist nicht bekannt, ob es Teil der offiziellen Staatsbürgerkurse ist. Aber als untrügliches Zeichen dafür, ob ein Zugereister tatsächlich in seiner neuen Heimat Österreich angekommen ist, galt bisher immer die korrekte Aussprache eines Wortes: Oachkatzlschwoaf.

Ohne nun dem behaarten hinteren Auswuchs des Eichhörnchens (Sciurus vulgaris) nahetreten zu wollen, muss doch darauf hingewiesen werden, dass es ein Wort gibt, das noch wesentlich typischer für Österreich ist. Einen Ausdruck, der noch viel tiefer in die letzten Geheimnisse des Österreichertums hinabführt - das Wort Interkalarfrist.

Dem gemeinen Österreicher (Austriacus vulgaris) wird dieser Begriff wenig sagen. Für den gewiegten Orden- und Titelsammler ist es hingegen sein tägliches Brot, und zwar ein hartes. Interkalarfrist ist nämlich jene gesetzlich festgelegte Zeitspanne, die nach Erlangung eines Ordens bzw. Titels verstreichen muss, ehe man um den nächsten Orden bzw. Titel einkommen darf. Aufgrund des unerforschlichen Ratschlusses des österreichischen Gesetzgebers beträgt die Interkalarfrist fünf, in Spezialfällen drei Jahre, was furchtbar lang ist.

Rettung bringt wie so oft der Föderalismus, denn beim Zusammentreffen von Bundes- und Landes-Ehrenzeichen gilt die Interkalarfrist nicht. Man kann also problemlos an einem Tag den Tiroler Adler-Orden in Gold, am nächsten Tag das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und am übernächsten Tag die Ehrenmedaille des Landesfeuerwehrverbandes Burgenland verliehen bekommen. Wenn man das möchte.

Nicht hingegen kann man am Montag zum Kommerzialrat und am Mittwoch zum Obermedizinalrat ernannt werden und sich zum Drüberstreuen am Freitag das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse umhängen lassen. Da sei die Interkalarfrist vor.

Es gibt übrigens noch eine weitere Inter kalarfrist, die für den Betroffenen allerdings nicht so schmerzlich ist, weil er ihren Ablauf nämlich nicht mehr erlebt. Und zwar ist es in Wien so, dass eine Straße oder Gasse nur nach jemandem benannt werden darf, der schon mindestens ein Jahr tot ist.

Warum das hier alles ausgebreitet wird? Die Antwort ist einfach: Erstens ist Interkalarfrist ein wirklich schönes Wort. Und zweitens kann mit seiner Hilfe das Geheimnis gelüftet werden, warum die Bestandteile der Großen Koalition zuletzt in relativem Frieden miteinander lebten. Dies hing nicht, wie verschiedentlich gemutmaßt, mit dem Osterfrieden zusammen. Nein, sondern es wurde offensichtlich regierungsintern eine Interkalarfrist für Koalitionskrach eingeführt. Sie beträgt drei, in Spezial fällen zwei Wochen.