Es ist auffallend, dass sich die abstrakte Kunst weitgehend auf die Sparte der bildenden Künste beschränkt. Sie wissen: leere Leinwände, schwarze Quadrate, Krixi-Kraxi-Butterhaxi. In der Literatur gibt es so etwas kaum. Niemand käme auf die Idee, ein Buch mit lauter leeren Seiten als Kunst zu bezeichnen. Oder einen Text, der nur aus L besteht.
Die einzige Literaturform, die sich dem Abstrakten verpflichtet fühlt, sind österreichische Politikeraussagen. Dort werden völlig losgelöst von Natur und Realität neue Welten erschaffen, dort werden kaleidoskopartig und willkürlich Worte aneinandergereiht, dort wird - wie es in der Kunsttheorie so schön heißt - die Wirklichkeit dekonstruiert.
Beispiele dafür lassen sich derzeit auf den Wiener Plakatwänden bestaunen. Die FPÖ plakatiert den Spruch "Wählt so, wie Ihr denkt", was so mancher als bedenklichen Aufruf zum Nichtwählen liest. Und die SPÖ plakatiert die Forderung "Für Haltung", was vom Standpunkt der Volksgesundheit aus gesehen rückhaltlos zu begrüßen ist. Die Rathaus-Roten sind also gegen Haltungsschäden.
Die künstlerische Dekonstruktion der Wirklichkeit verfolgt einen einzigen Zweck. Sie will die Vergeblichkeit jeglichen irdischen Strebens vor Augen führen. Dafür gibt es derzeit noch ein weiteres Paradebeispiel: die Einführung der Buchstabenfolge "Hotspot" in den deutschen Sprachgebrauch. Wie man lesen konnte, ist der Salzburger Hauptbahnhof der "Hotspot" der aktuellen Völkerwanderung. Einer Völkerwanderung, der nun durch die Einrichtung von "Hotspots" an den EU-Außengrenzen Einhalt geboten werden soll.
Was damit gemeint ist, erschließt sich allenfalls im Abstrakten. Denn warum sollte der Wanderungsbewegung Einhalt geboten werden, die doch, wie ebenfalls zu lesen ist, dank der zahllosen ankommenden Radiologen und Kernphysiker ein wahrer Segen für unsere Gesellschaft ist? Und wie sollte man ihr Einhalt gebieten, wenn man an den EU-Außengrenzen jetzt massenweise Salzburger Hauptbahnhöfe baut? Fragen über Fragen.
Aber das Wort hat sich längst Bahn gebrochen. Im ORF - der größten Bildungseinrichtung des Landes - heißt es im Wetterbericht nicht mehr: "Im Salzkammergut regnet's" (was ja auch kaum der Erwähnung wert wäre). Nein, es heißt dort jetzt: "Der Hotspot der Unwetter ist das Salzkammergut." Demnächst wird der Lungau vermutlich zum Coldspot des kommenden Winters erklärt.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis verliebte Männer ihrem Schatz ins zart errötende Ohr flüstern: "Du bist der Hotspot meines Lebens!" Doch die Angebetete wird nur Bahnhof verstehen, und zwar Haupt-.