Schon bisher grenzten die Fähigkeiten der steirischen Reformpartner ans Magische. Sie konnten offene BH in geschlossene verwandeln und kleine Gemeinden in große. Ihr absolutes Meisterstück lieferten sie aber am Sonntag. Sie führten einen bislang völlig unbekannten, wiewohl erneuerbaren Energieträger ein - den Wählerstrom.
Aufgrund eines ausgeklügelten Geheimplanes wurde am Wahlabend der von den Großparteien zur FPÖ fließende Strom an Wählern über eine Turbine geleitet, was genügend elektrischen Energie erzeugte, um die gesamte Wahlberichterstattung im Fernsehen bestreiten zu können - Licht, Kameras, alles.
Um Strom mit der notwendigen Spannung von 220 Voves zu generieren, waren freilich umfangreiche Vorarbeiten nötig. Die Gemeindefusionen, die Einschnitte im Sozialsystem - alles hatte den einzigen Sinn, den Wählerstrom ausreichend anschwellen zu lassen.
Wie eingehende Wählerstromanalysen ergaben, trug auch die Bundespolitik ihr Scherflein zum Erfolg bei. Wobei es eigentlich keinen Grund für falsche Bescheidenheit gibt. Man kann durchaus von einem Scherf sprechen.
Der erzielte Energiegewinn war jedenfalls ein gewaltiger. Im Unterschied zur umstrittenen Methode des Fracking ist das steirische Wähling zudem ökologisch unbedenklich. Überdies ist es (wiederum im Unterschied zum Fracking) egal, welche Kleidung man trägt. Wer es beim Wähling gern etwas sportlicher mag, wählt einfach die Ausstattungsvariante "Nordic Wähling".
Wie Franz Voves und Hermann Schützenhöfer nach ihrem energetischen Erfolg in verständlicher Siegeslaune ausplauderten, gab es zwischen ihnen während des ganzen Wählerstrom-Projekts nur eine einzige Streitfrage: Gleichstrom oder Wechselstrom? Wie man heute weiß, fiel die Wahl nach eingehender Prüfung auf Variante eins. Trotz des beträchtlichen Wählerstroms zur FPÖ bleibt in der Steiermark alles gleich und ganz ohne Wechsel.
Wer glaubt, dass sich Voves und Schützenhöfer nun auf ihrem Lorbeer ausruhen, kennt den Tatendrang der steirischen Reformpartner bzw. -panther schlecht. Nach der Wahl ist vor der Wahl, lautet ihr Motto, und daher haben die Vorarbeiten für den nächsten Wahltag 2020 längst begonnen. Nicht auszudenken, wenn es an diesem Tag keinen Wählerstrom gäbe . . .
Im Sinne des steirischen Wähling haben Voves und Schützenhöfer daher noch am Sonntag alles unternommen, um in Hinblick auf 2020 für einen ausreichenden Strom hin zu den Freiheitlichen zu sorgen. Ob gebrochene Wahlversprechen, offen zur Schau gestellte Überheblichkeit oder beginnendes Postengerangel der Wahlverlierer um den Landeshauptmannsessel: Alles für die Energieversorgung!
Kein Wunder, dass das steirische Beispiel beginnt, Schule zu machen. Die findigen Burgenländer setzten bisher eher auf Windenergie, können sich dem Sog, der durch das Wähling entstanden ist, aber kaum entziehen. Landeshauptmann Hans Niessl verfolgt daher nun einen Plan, der im Falle des Gelingens einen Wählerstrom im Gegenwert von drei grenznahen Kernkraftwerken entspricht: die Bildung einer Koalition mit den Freiheitlichen.
Energieexperten wissen längst, dass jede Regierungsbeteiligung der FPÖ Wählerströme entfesselt, gegen die die Niagarafälle ein tröpfelnder Wasserhahn sind. Das beste Beispiel war die Nationalratswahl 2002, bei der nach nicht einmal drei Jahren blauen Mitregierens der größte jemals gemessene Wählerstrom (und zwar weg von der FPÖ) zu beobachten war.
Das will Hans Niessl jetzt auch. Daher rot-blaue Temelin-Koalition. Mit der so gewonnenen Energie wird dann der Neusiedler See beheizt.