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Die Erfindung des Fußballs

Alexander Purger


Das Fußballspiel ist, wie sich an den Riten und Gebräuchen seiner Anhänger unschwer erkennen lässt, eine steinzeitliche Erfindung. Der Ball war damals logischerweise aus Stein, was die Ballbehandlung zu einer eher schmerzhaften Angelegenheit machte und die Hammerzehe zu einer Berufskrankheit der Fußballprofis werden ließ.

Deshalb erfanden die Neandertaler unter ihrem Bundestrainer Jogi Höhlenlöw das Kopfballspiel, was bei ihnen zur Ausprägung der charakteristischen Überaugenwülste führte, sie aber auf Jahrtausende hinaus unschlagbar machte. Der Spruch "Der Stein ist eckig, das Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnen immer die Neandertaler" stammt aus jener Zeit.

Das Starprinzip im Fußsteinspiel war schon damals voll entwickelt, wie ein neulich in der Umgebung von Wuppertal ausgegrabenes steinzeitliches Panini-Album zeigt. Eine wissenschaftliche Auswertung des Fundes ergab jedoch, dass auf den Seiten 23 und 41 die Klebebildchen von Cristiano Feuerstein und Lionel Geröllheimer fehlen. Es dürfte sich um die größten Stars der Steinzeit gehandelt haben, denn die sind bekanntlich in den Panini-Sackerln nie drin.

Grundsätzlich haftet dem Fußballspiel seit seiner Anfangszeit etwas Geheimnisvolles, Übersinnliches, ja Unerklärliches an, wie man bis heute an der Abseitsregel sieht. Ein weiteres Beispiel war der Ur-Wiener Ernst Happel. Seine sibyllinischen Aussprüche hätten selbst das Orakel von Delphi vor Neid erblassen lassen. Nach einem Spiel der österreichischen Nationalmannschaft (dessen Trainer er damals war) gegen Litauen fasste Happel seine Eindrücke von der mit 4:0 für Österreich endenden Partie folgendermaßen zusammen: "Beim Schiaßen haben s' kan Kas gfressen, die Liptauer."

Vermutlich wollte Happel damit die mangelnde Chancenauswertung der Litauer ansprechen. Aber gesichert ist die Richtigkeit dieser Deutung keineswegs.

Doch zurück zur Fußballhistorie. Während man die steinzeitlichen Wurzeln glauben kann oder nicht, existiert ab dem Mittelalter gesichertes Wissen. Damals entwickelte sich in Florenz der "calcio fiorentino". Auf einem rechteckigen, mit Sand bestreuten Spielfeld auf der Piazza di Santa Croce traten damals Mannschaften von 20 bis 50 Spielern gegeneinander an. Ziel des Spiels (einer Mischung aus Fußball, Rugby und Freistilringen) war es, eine aufgepumpte und mit Leder umhüllte Schweinsblase in das Tor zu bugsieren, das die gesamte Schmalseite der gegnerischen Spielhälfte einnahm.

Das Spiel war relativ brutal und zog vermutlich deshalb die Massen an. Spielberechtigt waren allerdings nur Adelige, und die Medici inszenierten den "calcio" als höfisches Fest zu Ehren der eigenen Wichtigkeit, was ja auch heutigen Ausrichtern von Sportveranstaltungen nicht fremd sein soll.

Erfunden haben die Florentiner den Fußball freilich nicht. Sie verfeinerten nur den bereits existierenden Volksfußball, der seit dem 9. Jahrhundert in mehreren Teilen Europas verbürgt ist. Dabei traten nicht Mann-, sondern ganze Ortschaften gegeneinander an. Das Spielfeld war die Landschaft zwischen den Gemeinden und das Tor war das Kirchentor des jeweiligen Orts.

Es muss ein fantastisches Schauspiel gewesen sein, wenn Hunderte schreiende Dorfbewohner samt Kind und Kegel und kläffenden Hunden sich um eine gefüllte Schweinsblase balgten, die Ernte auf den Feldern niedertrampelten und sich gegenseitig grün und blau schlugen, nur um den Ball ins gegnerische Kirchentor zu knallen.

Die entsetzte Obrigkeit versuchte, dieses anarchische Schauspiel, bei dem es oft unzählige Verletzte gab, mit wiederkehrenden, immer drastischeren Strafandrohungen zu unterbinden - vergeblich.

Mitunter muss man an diese archaische, an ein Brueghel-Gemälde erinnernde Szenerie denken, wenn man die heutigen Millionenstars in den Luxusarenen sieht.