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Die Politik, ein Festspiel

Der ewige Ruf nach Reformen in unserem Land geht einem langsam auf die Nerven. Woher, bitte, sollen die Politiker die Zeit dafür nehmen? Sie haben Wichtigeres zu tun!

Alexander Purger

Zwei Beispiele: Unser herziger Agrarminister hat kürzlich dafür gesorgt, dass zwei Urlaubsfotos von ihm brettelbreit auf der Innenpolitik-Seite einer Wiener Boulevardzeitung veröffentlicht wurden. Die gesamte politische Szene rätselt nun, warum besagtes Blatt diese Minister-Festspiele veranstaltet hat. Die einen vermuten, dass die betreffende Redaktion seither Agrarförderungen für ihren Gummibaum kriegt. Die anderen tippen darauf, dass die Zeitung (in der ÖVPler sonst praktisch nie vorkommen) mit den Fotos Michael Spindelegger nervös machen wollte.

Denn der Traum aller Medien ist eine Obmanndebatte in der Volkspartei. Das füllt die Zeitungsspalten und Sendeminuten auf viele Monate hinaus. Aus diesem Grund wird der verhaltensoriginelle Landwirtschaftsminister seit geraumer Zeit von Journalisten als Kandidat für alle möglichen Ämter genannt: ÖVP-Chef, Vizekanzler, Tiroler Landeshauptmann, Präsidentschaftskandidat. Die ÖVP ist schon ganz ding.

Alle (außer dem Betreffenden selbst) wissen, was da gespielt wird, aber alle sind vollauf mit Tratschen, Intrigieren und Gegen-intrigieren beschäftigt. Für nebensächliche Dinge wie Sparen oder Pensionen sichern bleibt da klarerweise keine Zeit.

Der zweite momentane Zeitvertreib der politischen Szene ist ein kleines Ratespiel. Immer wenn sich ein Landeshauptmann oder Bürgermeister für den Verbleib von Regionalkommissar Johannes Hahn in der EU-Kommission ausspricht, fragen sich alle: Wie viel Geld hat ihm Hahn aus den Regionalfördertöpfen der EU versprochen?

Feinspitze knüpfen daran noch eine zweite Frage, und zwar: Welches Gesicht werden die betreffenden Lokalfürsten machen, wenn Hahn zwar in der EU-Kommission bleibt, dort aber ein anderes Ressort ohne Fördermittel bekommt? - Auch diese Vorstellung ist ein netter Zeitvertreib.

Jedenfalls muss man sich um die Tagesgestaltung der Politik bis auf Weiteres keine Sorgen machen. Schließlich rückt ja auch die Zeit der Festspieleröffnungen näher, bei denen man jede Menge mahnende Worte finden kann, die der Vorredner auf dem Pult hat liegen lassen. Auch damit bringt man leicht wieder ein paar Wochen hin.

Wobei nicht nur die Eröffnungen, sondern auch die Festspiele selbst hochpolitische Ereignisse sind, wie ein Streifzug durch das heurige Programm in Österreich zeigt. Nestroys "Zu ebener Erde und erster Stock" etwa bringt die Vermögenssteuer-Problematik auf die Bühne. Werden die Armen reicher, wenn die Reichen ärmer werden? Alles eine Frage der Inszenierung.

Shakespeares "Wie es euch gefällt" - eine zeitgemäße Adaptierung des rot-schwarzen Regierungsprogramms. Verdis "Aida" - ewige, eingemauerte Liebe, wer würde da nicht an SPÖ und ÖVP denken? Nestroys "Der Zerrissene" - Finanzminister Spindelegger zwischen Spargedanken und Parteiräson.

Schuberts "Unvollendete" - ein elegischer Abgesang auf die österreichische Pensionsreform. Webers "Der Freischütz" - das Bundesheer in der budgetären Wolfsschlucht muss sich seine sieben Kugeln ab sofort selbst gießen. Samuel Becketts "Warten auf Godot" - Werner Faymann beim Regieren. Und so weiter und so fort.

Bleibt die Frage, wer all diese vielen Festspiele finanzieren soll. Die alten Griechen hatten da eine gute Lösung. In Athen galt ein Gesetz, wonach sämtliche Budgetüberschüsse in einen Fonds für die staatlichen Festspiele zu fließen hatten. Der Leiter dieses Festspielfonds war so etwas wie der erste Finanzminister der Weltgeschichte.

Aber ist dieses Modell auf Österreich umlegbar? Unsere Politik ist ja ein einziges Festspiel, doch Budgetüberschüsse werden wir bis zum jüngsten Tag nicht erwirtschaften.