SN.AT / Kolumne / Purgertorium / Purgertorium

In Peru und anderswu

Alexander Purger

Der Andenstaat Peru hat zur heurigen Biennale von Venedig ein besonderes Kunstwerk geschickt. Auf einem Wandgemälde sind sämtliche Machthaber und Regierungschefs porträtiert, die seit dem frühen 19. Jahrhundert die Geschicke Perus gelenkt haben. Und jeder der Herren in ihren bunten Operetten uniformen sagt in einer Sprechblase genau das gleiche Wort: "Morgen!"

Man könnte dies als Kritik am Zustand der peruanischen Innenpolitik auffassen. Man könnte in der hundertfachen Verheißung eines besseren Morgen aber auch eine Allegorie auf die Politik im Allgemeinen sehen. Denn nicht nur in den Anden, auch am Fuße von Abruzzen und Alpen wird gerne mit verlockenden Zukunftsversprechen operiert, wie wir wahlkampfbedingt soeben erleben dürfen. Die Steuern sinken um Fantastilliarden, alles wird sozial gerecht bis dorthinaus, jede nur erdenkliche Route wird geschlossen. Und wann? "Morgen!", würde man in Peru sagen.

Die uralte Einrichtung der Wahlversprechen hat nichts von ihrer Faszina tion eingebüßt. Schon gar nicht, seit die lästige, im antiken Griechenland geltende Auflage weggefallen ist, dass man sie auch einhalten muss. In der athenischen Demokratie stand auf gebrochene Wahlversprechen noch die Todesstrafe. Aber so kann man auf Dauer klarerweise keine Politik machen.

Heute erwartet nicht einmal mehr der Naivste, dass ein Politiker seine Wahlversprechen erfüllt. Sonst könnte er sie ja beim nächsten Mal nicht wieder verwenden! Ein erfülltes Wahlversprechen wäre ein Hohn auf den Recycling- und Nachhaltigkeitsgedanken.

Apropos Recycling: Der offizielle Beitrag Österreichs zur Biennale von Venedig ist heuer ein 70-Jahre-Wohnwagen, der mit Blümchentapeten ausgeschlagen ist. In die Decke und die Außenwände des Wohnwagens sind kreisrunde Löcher geschnitten, durch die - so ist der Anleitung zu dem Kunstwerk zu entnehmen - der Besucher diverse Körperteile stecken soll. Durch das Loch in der Decke zum Beispiel den Kopf und durch das halbhohe Loch auf der Längsseite das Gegenteil davon.

Vor allem in diesem letzten Fall von Kunst gilt der alte Spruch: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters.

In der Vogelwelt, um auch darauf
kurz zu sprechen zu kommen, liegt die Schönheit vor allem im Auge der Betrachterin. Ornithologen führen den Umstand, dass Vogelmännchen in der Regel ein wesentlich prächtigeres Gefieder aufweisen als Vogelweibchen, auf zwei Gründe zurück. Erstens haben Vogelmännchen wegen ihrer vergleichsweise geringen Involvierung in Fortpflanzung und Brutpflege einen Überschuss an Energie. Und zweitens stecken sie diese überschüssige Energie in etwas, das die Vogelweibchen am meisten beeindruckt, nämlich in ein buntes Äußeres. Wobei Buntheit nicht gleich Buntheit ist. Sondern den Vogelweibchen gefallen am besten - und hier wird es wiederum politisch interessant - Rot töne. Je satter, umso besser.

Jetzt soll man nicht unbedingt vom Stieglitz auf den Menschen schließen. Aber könnte es nicht sein, dass auch bei uns die Buntheit ein Weg zum Erfolg ist? Hat die ÖVP vielleicht gerade deshalb beschlossen, ihre Parteinichtfarbe Schwarz abzuschaffen?

Auch der Andenkondor im eingangs erwähnten Peru ist schwarz, aber das Männchen lässt sich einen bunten Kamm am Kopf wachsen, um mehr Erfolg zu haben. Da dieser peruanische Lösungsweg für Sebastian Kurz naturgemäß schwer zu beschreiten ist, hat er jetzt erklärt, die ÖVP zu einer türkisen Partei zu machen. Gut.

Und mit welchen neuen Farben werden uns die anderen Parteien davon überzeugen wollen, dass sie genügend überschüssige Energie besitzen, um das "Morgen!" zum Heute zu machen?