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Kaisergelb und Kobaltblau

Alle Politiker stecken ihre Hände in österreichische Hosentaschen. Und zwar in unsere.

Alexander Purger

In einem finsteren Tresor des Heeresgeschichtlichen Museums zu Wien ruht, jeglichem Tageslicht entrückt, das letzte Exemplar des berühmten k. u. k. Farbenkastls. Es ist dies ein Karton, auf den Filzstückchen in etwa 30 Farben aufgeklebt sind.

Mit diesen Farben - verwendet auf Kragenspiegeln, Ärmelaufschlägen etc. - wurden in der kaiserlichen Armeen die Regimenter unterschieden. In anderen Heeren trugen die Soldaten einfach die Nummer ihres Regiments auf dem Uniformkragen, in Österreich erledigten das die sogenannten Egalisierungsfarben. (Damit die Sache nicht zu einfach war, führten aber jeweils zwei Regimenter die gleiche Farbe und unterschieden sich lediglich durch die Knopffarbe. Irgendwie genial, dieses System. . .)

Da es mehr als 100 Regimenter gab, gab es auch ziemlich viele Farben. Es gab nicht einfach Gelb, sondern Kaisergelb, Schwefelgelb und Orangegelb. Es gab nicht einfach Grün, sondern Apfelgrün, Grasgrün, Meergrün, Meergrasgrün, Papageigrün und Stahlgrün. Und es gab nicht einfach ein einziges Rot, sondern zehn. Und zwar Amarantrot, Bordeauxrot, Blassrot, Dunkelrot, Karmesinrot, Kirschrot, Krebsrot, Krapprot, Rosenrot und - nicht zu vergessen - Scharlachrot.

Diese Farben unterscheiden zu können, also etwa Meergras- von Grasgrün und Kirsch- von Krebsrot, war eine Wissenschaft. Deswegen hütet der Museumsdirektor das Farbspektrum heute wie seinen Augapfel und bewahrt es in absoluter Dunkelheit auf, damit die Farben nicht verbleichen.

Eine moderne Variante des k. u. k. Farbenkastls ist die Buntstift-Sammlung jenes Herstellers, der dem Kunden bei Verwendung seiner Buntstifte ein Kinderfest in Aussicht stellt (das jedoch zur Enttäuschung des Autors trotz intensivsten Buntstift-Malens nie stattfand). In dieser Buntstift-Kassette finden sich ebenfalls rund 50 Farben in feinster Abstufung. Wer beim Malen gerade seine blaue Phase hat, kann beispielsweise wählen zwischen Dunkelblau, Ultramarinblau, Hellblau, Kobaltblau, Meerblau, Lichtblau, Himmelblau und Blauviolett. - Man stelle sich nur die Unterscheidung von Licht- und Himmelblau vor. Ein Kinderfest!

Warum hier so viel von Farbpaletten die Rede ist? Ganz einfach. Wegen der EU-Wahl. Noch nie sind so viele Parteien angetreten, und zwar sind es wirklich schon so viele, dass ihnen die Parteifarben auszugehen scheinen. Welche Farbe haben zum Beispiel die Rekos? Rosa? Nein, rosa sind schon die Neos. Obwohl: Beim Kinderfest gab es Hellrosa, Rosa, Rosé, Dunkelrosa und Fleischfarbe. Also vielleicht Fleischfarbe? "Der fleischfarbene Rekos-Spitzenkandidat meinte . . ."

Auch bei den etablierten Parteien wird man zunehmend unsicher. Die ÖVP, (von der böse Zungen behaupten, sie unterscheide sich von der SPÖ nur noch durch die Knopffarbe, und zwar bei verdeckter Knopfleiste) möchte sich ja jetzt öffnen und sich ein luftig-leichtes Papageischwarz zulegen. Oder zumindest ein ganz geöffnetes Krapp-, Licht- oder Schwefelschwarz.

Die SPÖ wiederum ist den einen zu blass- und den anderen zu krebsrot (unter Alfred Gusenbauer war sie jedenfalls bordeauxrot). Und bei den Blauen weiß man nicht, ob nach dem Hinauswurf von Spitzenkandidat Andreas Mölzer noch das gute alte Kornblumenblau die Parteifarbe ist.

Jedenfalls wird das mit der Unterscheidung durch Farben immer schwieriger. Vielleicht helfen die Hosen? Denn (das wurde eingangs der Einfachheit halber unterschlagen) in der k. u. k. Armee gab es auch Regimenter, die sich weder durch die Egalisierungs- noch durch die Knopffarbe unterschieden, sondern nur durch den Schnitt der Uniformhosen. Und zwar gab es österreichische und ungarische Hosen.

Aber leider, das hilft uns bei den Politikern auch nicht weiter. Keiner von ihnen (außer vielleicht Viktor Orbán) trägt ungarische Hosen. Alle stecken ihre Hände in österreichische Hosentaschen. Und zwar in unsere.