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Politik bildet: Was Kevin von Tsipras lernt

Das eigene Zimmer zusammenräumen? Was für ein demütigendes Aufräum-Diktat!

Alexander Purger

"Sofort räumst du dein Zimmer auf, Kevin", sagte die Mutter. "Hier sieht es ja aus wie in einem Saustall!" - "Du verletzt die Kevin'sche Würde", konterte der Sohn gelassen und warf ein Papierschnitzel direkt neben dem Papierkorb auf den Boden. "Spinnst du?", fragte die Mutter nun schon etwas lauter. "Entweder du machst hier in der Sekunde Ordnung oder du fliegst raus!" - Der Knirps blickte sie mit großen, runden Augen an: "Aber wir sind doch eine Solidargemeinschaft."

Die Mutter seufzte. "Schau, Kevin", sagte sie, "es liegt doch in deinem eigenen Interesse, dass dein Zimmer ordentlich aussieht. So, wie es jetzt ist, fühlt sich ja keiner wohl darin." - "Stimmt", antwortete der Knirps, "deswegen verlange ich, dass du jetzt mein Zimmer aufräumst, aber ein bisschen dalli."

Perplex schaute die Mutter ihn an. "Bist du verrückt? Was glaubst du denn, wer du eigentlich bist?" - "Ich bin ein gleichberechtigtes Mitglied der Kevin'schen Familie und verteidige unsere gemeinsamen Werte."

Wortlos verließ die Mutter das Zimmer und holte zur Verstärkung Vater, Bruder und Oma herbei. "Ah, eine Troika", zeterte Kevin. "Diese finstere, koloniale Terror-Attacke verletzt den Stolz aller Kevins und gemahnt an dunkle Zeiten, für die ich übrigens noch eine Milliardenentschädigung fordere. Und ich verlange, dass die Troika gefälligst in ,Institutionen' umbenannt wird." - "Gut", sagten die Institutionen, "aber räumst du jetzt endlich auf?"

"Ich denke nicht daran, mich dem demütigenden Aufräum-Diktat neoliberaler Staubsauger-Vertreter zu beugen", dozierte Kevin. "Aber bitte, ich bin kein Unmensch: Wir können in Verhandlungen über langfristige Aufräumpläne eintreten." - "Wirklich?", seufzte die Mutter beglückt und zerdrückte eine Freudenträne. "Er ist ja doch unser süßer, kleiner Kevin", sagten die Institutionen gerührt. "Also, wie stellst du dir das Zusammenräumen genau vor?" Der Bub antwortete: "Ich gestatte euch aufzuräumen und dafür bekomme ich einen Flachbildschirmfernseher, eine neue Spielkonsole und dreifaches Taschengeld."

Der väterliche Teil der Institutionen holte mit der rechten Hand aus, wurde aber vom großmütterlichen Teil zurückgehalten. "Keine populistischen Kurzschlüsse", mahnte sie. "Man muss Verständnis für Kevin haben."

"Genau", maulte der Kleine, "außerdem haben sich in einer Volksabstimmung 60 Prozent meiner Klassenkameraden fürs Nichtaufräumen sämtlicher Kinderzimmer ausgesprochen. Das ist ein großer Sieg für die Demokratie und das Ende der Knechtschaft aller Kevins dieser Welt. Also, bekomme ich jetzt mein dreifaches Taschengeld?" - "Aber nur unter ganz strengen Auflagen", sagten die Institutionen.