Durch meine Herkunft, meine Biographie und meine Berufe bedingt, habe ich einen sehr breit gestreuten Bekanntenkreis, was soziale Schichten, Bildungsniveaus, Lebenswelten und politische Anschauungen betrifft. Und da die Kunst des "Laaschatzens", also des gepflegten Smalltalks inneralpiner Ausprägung, nicht zu meinen herausragenden Stärken zählt, entwickeln sich oft Diskussionen mit verschiedensten Menschen. Bisher war das kein Problem, es ging zwar oft hoch her und war manchmal sehr kontrovers, aber wir redeten im Großen und Ganzen immer auf Grundlage der gleichen Informationen. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Je weiter die Auseinandersetzung um Flüchtlinge und Asyl hochkocht, desto weiter driften auch die gefühlten Wirklichkeiten einzelner Gruppen auseinander.
Einerseits werden haarsträubende Geschichten aus der Gerüchteküche im Internet, die sich mit drei Mausklicks als plumpe Lügen entlarven lassen, geglaubt und/oder weiterverbreitet, wenn sie gerade in das jeweilige Weltbild passen, andererseits werden unangenehme Tatsachen nicht als solche hingenommen, wenn sie der eigenen Anschauung widersprechen. Eine Politik, deren Richtung und Wortschatz sich andauernd ändert und die bestimmte Vorfälle ignoriert oder gar vertuschen lässt, und Boulevardmedien, die mit Schocker-Schlagzeilen und Angstparolen, die weit über die Fakten hinausschießen, Auflage machen, verstärken die Unsicherheit der Menschen zusätzlich.
Diese Entwicklung untergräbt die Demokratie bedenklich, denn wenn wir keinen gemeinsamen Boden mehr haben, auf dem wir - wenn nötig auch mit aller Härte - diskutieren und streiten können, wird sie im wahrsten Sinne des Wortes ihrer Grundlage beraubt. Und was dann?
