Bei der öffentlichen Verhandlung über die 380-kV-Stromleitung, die wegen des riesigen Interesses in der Salzburg-Arena stattfand, kam es mitunter zu hitzigen Szenen. Viele Gegner des Projekts waren mit der Verhandlungsführung nicht einverstanden und machten ihrem Ärger lautstark Luft.
Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Früher waren es oft nur Außenseiter, Einzelkämpfer und kleine Gruppen, die sich gegen fragwürdige Projekte der E-Wirtschaft oder anderer Industriezweige zur Wehr setzten, und die konnte man noch leicht als weltfremde alternative Spinner in ein zweifelhaftes Licht rücken und ausbremsen. Heute hat der Protest die Mitte der Gesellschaft erreicht, auch viele Normalbürger lassen sich nicht mehr mit weihrauchig-staatstragenden oder technischen Totschlagargumenten abspeisen oder mit vorgetäuschtem Verständnis und taktischen Mitspracheangeboten ruhigstellen. Sie haben das bürokratische Hase-und-Igel-Spiel durchschaut und lassen sich auch nicht mehr von aufmarschierenden Anwaltskohorten und von Behörden beeindrucken, sondern spielen selbstbewusst mit. Das ist in dieser Breite eine ganz neue Qualität heimischer Protestkultur und man darf gespannt sein, wie Betreiber, Behörden und Politik reagieren.
Die Breite macht die Bewegung allerdings auch zum politischen Faktor und birgt die Gefahr der Vereinnahmung. Wenn man beobachtet, wer sich da plötzlich in den Windschatten wirft und wie das teilweise medial aufbereitet wird, ist höchste Wachsamkeit angeraten, damit man am Ende nicht unter der Stromautobahn sitzt und erkennen muss, dass man für einige vermeintliche Unterstützer nur ein nützlicher Spielstein im Politik- und Medienschach war.