Selten hat ein Volk einen derart radikalen Imagewechsel hingelegt wie die Hellenen. Vor zehn Jahren waren sie noch die tiefenentspannten Gastgeber eines Urlaubsparadieses und jetzt sind sie plötzlich faule und betrügerische Euroschmarotzer - und zwar pauschal.
Das ist so, als würde man alle Salzburger für den Finanzskandal verantwortlich machen.
"Die Griechen", also die Masse der einfachen Leute, haben aber nie in dem Maße abkassiert, wie es jetzt scheint. Sie haben im Schnitt länger gearbeitet, weniger verdient und geringere Sozialleistungen erhalten als wir Mitteleuropäer.
Gleichzeitig haben aber bestimmte Kreise und Clans aus Politik und Wirtschaft das Land mittels Korruption, Abhängigkeiten und über einen aufgeblähten Beamtenapparat kontrolliert. Sie haben in die eigene Tasche gewirtschaftet, falsche Daten nach Brüssel übermittelt und das Land so bis an den Rand des Bankrotts manövriert.
Die Rechnung dafür zahlen allerdings nicht sie - ihre Beute liegt schon lange auf sicheren Konten im Ausland -, sondern die Masse, vor allem die sozial Schwachen. Nur ein Beispiel: Es gibt in Griechenland, also mitten in Europa, mittlerweile Zigtausende von Menschen ohne Gesundheitsversorgung.
Dass sich diese nun gegen den Sparkurs wenden und jemanden wählen, der Änderungen verspricht, egal ob von weit links (oder schon bald von noch weiter rechts?), liegt auf der Hand.
Für das Stammbuch der sakrosankten Wirtschaftsexperten: Demokratie funktioniert nur in einem halbwegs ausgeglichenen Sozialgefüge.
Je größer der Unterschied zwischen Arm und Reich und das Ohnmachtsgefühl, desto höher die Bereitschaft zur politischen Radikalität in jede Richtung - nicht nur in Griechenland.
