Jetzt dürfen wir also noch einmal zur Stichwahl des Bundespräsidenten schreiten, hat der VfGH beschlossen. Die Höchstrichter betonen dabei, dass dies nicht wegen erfolgten Wahlbetrugs, sondern wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu geschehen hat. Das ist insofern einleuchtend, weil an den mehr oder weniger flächendeckenden "Ungenauigkeiten" alle Fraktionen - auch die Mitglieder der Klägerpartei - beteiligt waren. Und die der Schlamperei beschuldigten Wahlkommissionen argumentieren wiederum damit, dass die Gesetze in der bestehenden Form gar nicht auf Punkt und Beistrich einzuhalten wären, weil sie so praxisfern seien.
Für mich bringt das eine typisch österreichische Gegebenheit auf den Punkt. Wir wollen überall hundertprozentige Rechtssicherheit und alles bis letzte Detail gesetzlich geregelt haben und so werden jährlich zigtausend Gesetze, Vorschriften und Richtlinien erlassen, von der Verfassungsnovelle bis hinunter zur Schrebergartenwochenendzufahrtsbeschränkungsverordnung. Und da wir uns in diesem Juristendschungel oft hoffnungslos verheddern, verirren und verloren fühlen, haben wir uns angewöhnt, ihn halt nicht ganz so ernst zu nehmen und die Vorschriften nicht punktgenau einzuhalten, sondern recht frei und individuell nach Bedarf und Gegebenheit zu interpretieren. Das mag im Schrebergarten noch irgendwie vertretbar sein, bei der Wahl des Staatsoberhauptes ist es allerdings völlig inakzeptabel.
Man stelle sich nur vor, was in diesem Land und seinem Internet los wäre, wenn der Kandidat Hofer die Stichwahl ganz knapp gewonnen hätte, und diese nun wegen eines Einspruchs der Grünen aus den bekannten Gründen wiederholt werden müsste. Ui, ui, ui.
