Ein völlig außer Rand und Band geratener Milliardär mit bizarren Auftritten und Wortmeldungen als "ernsthafter" Kandidat für das Amt des US-Präsidenten? Bis vor kurzem unvorstellbar - heute Tatsache. Aber kehren wir ruhig auch vor der eigenen europäischen Tür. Von Ungarn über die Slowakei bis hin nach Polen sind bereits Politiker an der Macht, die die Kontrollmechanismen der Demokratie - Verfassung, Medien und kritische Meinungsäußerung - außer Kraft setzen wollen oder das schon getan haben. Auch in Skandinavien, Frankreich und zuletzt in Deutschland gewinnt der Rechtspopulismus ständig und wie eine Wahl in Österreich momentan ausgehen würde, kann man sich ausmalen. Aber was sind die Gründe für dieses Phänomen? Nur die Flüchtlinge?
Das ist wohl zu einfach gedacht. Nach Jahrzehnten des Aufschwungs und des sozialen Ausgleichs nach dem Krieg hat sich in den 90er-Jahren das Blatt gewendet und seitdem geht die Schere zwischen arm und reich wieder auseinander. Die 62 reichsten Menschen besitzen heute genau so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Die Krise hat die Reichen zu Superreichen gemacht und vor allem: Sie gibt dem Mittelstand das Gefühl, unweigerlich in die Armut abzurutschen. Und immer, wenn das der Fall war, wandten sich große Teile der Bevölkerung sogenannten starken Männern zu, die ihnen scheinbar plausible Gründe und vor allem einfache Lösungen - meist eine starke Nation und greifbare Feindbilder - boten. Gäbe es die Flüchtlinge nicht, müssten halt andere dafür herhalten.
Da aber heute fast alle ursächlichen Probleme nur in länderübergreifender Zusammenarbeit gelöst werden können, ist die Wiedererstarkung der Nationalstaaten der Einstieg in einen Teufelskreis.
