Zu Sowjetzeiten merkten die Bürger immer, wenn der Kreml beschlossen hatte, einem "Bruderstaat" helfend unter die Arme zu greifen. Manchmal, weil plötzlich russische Soldaten in abgelegenen Weltgegenden eingesetzt wurden - etwa in Angola oder Mosambik. Meistens aber deswegen, weil plötzlich exotische Früchte oder andere seltene Waren in den Geschäften auftauchten. Aus Kuba kamen Zucker und Tabak, aus Vietnam Reis und Tee.
Umgemünzt auf heute - und die seltsamen Verbindungen zwischen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem griechischen Premier Alexis Tsipras - könnte das ähnlich aussehen: Oliven, Joghurt und Käse aus Griechenland könnten plötzlich sehr billig werden in Moskau. Und Moskau könnte Geld, das es zur Sanierung der eigenen maroden Wirtschaft brauchen würde, unter der Voraussetzung an Griechenland geben, dass die Regierung in Athen sich zum Beispiel für eine Aufhebung der EU-Sanktionen einsetzt. Bleibt die Frage, wie die russische Bevölkerung auf derlei Entwicklung reagieren würde. Die Antwort ist einfach: Die Staatspropaganda funktioniert in Putins Russland genauso gut wie seinerzeit in der Sowjetunion. Putins Russland ist ja - wenn man der Staatspropaganda glaubt - von Feinden umgeben. Und weil Griechenland vom bösen Feind EU und dem noch böseren Feind USA so sehr unter Druck gesetzt wird, ist Moskau natürlich auf der Seite Athens. Frei nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Und so wird den Menschen in Russland erklärt werden, dass es die internationale Solidarität gebiete, Athen zu helfen. So wie es seinerzeit die Solidaritätspflicht gebot, Soldaten nach Afghanistan zu schicken - wo mehr als 15.000 junge Russen ihr Leben ließen. Heute sterben junge russische Soldaten in der Ostukraine im Namen einer angeblichen Solidarität mit den russischsprachigen Ukrainern. Darüber darf in Putins Russland ebenso wenig gesprochen werden wie seinerzeit in Breschnews Sowjetunion über die in Afghanistan gestorbenen sowjetischen Soldaten.
Putins Hilfsangebot an Griechenland hat daher erstaunlich große Ähnlichkeiten mit dem, was man in Moskau zu Sowjetzeiten unter internationaler Solidarität verstand. Nämlich das Hilfebedürfnis von Staaten erstens als Schwäche auszulegen und zweitens dieses Bedürfnis zu nutzen, den Staat so fest an sich zu binden, dass er daran ersticken könnte. Für Griechenland und die Welt wäre es besser, wenn der Druck aus Brüssel und Washington nicht so groß wäre, dass Athen nur Moskaus falsche Hilfsbereitschaft als Ausweg erscheint.