"Der Spiegel" hat die einfache Formel gewählt, als er Frau Merkel und Herrn Putin die Titelseite überließ - die beiden sehen einander böse an - und schrieb: die neuen Kalten Krieger.
Nun kann man Frau Merkel vielleicht Zögern vorwerfen, aber sicher nicht, dass sie eine Kalte Kriegerin ist. Aber mit der Gleichsetzung der deutschen Bundeskanzlerin mit dem autokratisch herrschenden russischen Präsidenten schlägt ausgerechnet eines der renommierten deutschen Qualitätsmedien in eine Kerbe, die es gar nicht geben dürfte. Sobald man Kritik an der Putin'schen Politik übt - sowohl innerhalb Russlands als auch nach außen -, wird man mit dem konfrontiert, was einst in der Sowjetunion als Witz kursierte. In diesem Witz kommt ein Amerikaner nach Moskau und kritisiert, was in der Sowjetunion alles schlecht ist. Die sowjetischen Gesprächspartner antworten stereotyp: Und ihr seid schlecht zu den Negern. (Was politisch unkorrekt ist, aber tatsächlich genau so gesagt wurde). Soll heißen - sobald man Putins Politik gegenüber der Ukraine kritisiert, bekommt man alle Sündenfälle der USA vom Beginn aller Zeiten bis heute aufgezählt. (Ich finde ja, es gibt vieles, was man der amerikanischen Politik vorwerfen kann - Russlands Politik damit zu entschuldigen ist aber sehr naiv.)
Jetzt haben wir also die Erklärung gefunden. Alle sind gleich schuld, und deshalb muss man Putin verstehen und rechtfertigen. Doch eines sollte sogar den blauäugigsten Putin-Anhängern klar sein: Nicht die USA haben die Krim annektiert und Waffen an zweifelhafte Separatisten in der Ostukraine geliefert. Lügen werden durch das Wiederholen nicht wahrer. Wem also nützt es, eine ziemlich gefährliche Situation damit zu erklären, dass alle Beteiligten Dreck am Stecken haben - und daher nicht zu verurteilen seien? Die Krise zwischen der russischen Führung und jenem Teil der Welt, der sich trotz allem immer noch weitgehend an demokratischen Werten orientiert, kann auf diese Weise nicht gelöst werden. Auch nicht durch ein Europa, das einerseits so tut, als habe es vor, Stärke zu zeigen, dessen Nationalstaaten jedoch hinten herum Putin wegen seiner Gasreserven und des großen russischen Marktes weiterhin hofieren.
Russland hat die Europäische Union nie als Gesamtgebilde ernst genommen und es immer vorgezogen, mit den Nationalstaaten zu verhandeln. Die jüngste Vorgehensweise der Europäer verstärkt heute genau das - und schwächt die EU. Die Spielregeln des Kalten Krieges aber beherrscht nur einer wirklich perfekt. Es ist Wladimir Putin.