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Von unliebsamen Personen und geheimen Totenlisten

Wladimir Putin führt Russland ganz offen zurück zu sowjetischen Methoden. Und die Welt akzeptiert das.

Die "schwarze Liste" unliebsamer Personen, die in Russland nicht erwünscht sind, kam ja nicht wirklich überraschend. Viele, die sich je kritisch über Putins Russland geäußert haben und ein gewisses Gewicht in der Öffentlichkeit besitzen - vor allem, wenn sie aus dem Baltikum, Deutschland, Tschechien oder Frankreich stammen -, sind jetzt also in Russland unerwünscht. Einreiseverbote dieser Art pflegte auch die Sowjetunion gerne zu verhängen. Das europäische Erstaunen darüber ist etwas merkwürdig und hat wohl vor allem damit zu tun, dass man nach dem Ende der Sowjetunion eigentlich aufgehört hat, den Versuch zu unternehmen, die russischen politischen Mechanismen zu durchschauen.

In Putins Russland aber gilt der Grundsatz des Kalten Krieges: Wir antworten auf alles quasi spiegelverkehrt. Wenn ihr unsere hochrangigen Politiker mit Einreiseverboten belegt, lassen wir doppelt so viele nicht nach Russland - das gleicht dann vielleicht deren relativ geringere politische Bedeutung aus.

Abgesehen von der wie gesagt etwas künstlich wirkenden europäischen Aufregung über eine Vorgangsweise, die vor gar nicht so langer Zeit noch gang und gäbe war, zeigt sich die Rückkehr in die Sowjetunion auch in anderen Bereichen.

Neuerdings gelten zum Beispiel tote russische Soldaten, "die in Friedenszeiten und bei speziellen Operationen" ums Leben kamen, als Staatsgeheimnis. Es darf also weder über ihren Tod noch über die Umstände desselben gesprochen werden.

Wen wundert es da noch, dass jene beiden russischen Soldaten, die von ukrainischen Kräften gefangen genommen wurden, offiziell sofort als aus dem aktiven Dienst Ausgeschiedene bezeichnet wurden und man die Verwandten dazu anhielt, dies zu bestätigen, obwohl die Gefangenen selbst ganz offen erklärt hatten, dass sie sehr wohl immer noch in der russischen Armee dienen und im Zuge der Kämpfe in der Ostukraine gefangen genommen worden waren.

Auch dieser Vorfall lässt Erinnerungen an die UdSSR wach werden. Die genaue Zahl von in Afghanistan gefallenen russischen Soldaten ist - zum Beispiel - bis heute nicht bekannt, ebenso wenig wie jene der in Tschetschenien getöteten übrigens. Und die Eltern, die ihre Söhne in Zinksärgen zurückbekommen, werden heute mehr denn je gewarnt, über Ort und Umstände des Todes der Burschen zu reden.

Putins Russland geht in großen Schritten rückwärts. Und die in Russland, die es noch nicht wieder aufgegeben haben, selbstständig zu denken, ziehen sich - wieder - in die innere Emigration zurück. Sofern sie nicht gezwungen sind, das Land tatsächlich zu verlassen. Keine guten Aussichten für ein Ende des Konflikts mit der Ukraine oder einer positiven Entwicklung in Russland selbst.