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Der Ärger ist grenzenlos

Die Grenzkontrollen auf deutscher Seite stürzen Tausende Urlauber, zwei Regionen und die Wirtschaft ins Chaos. Es gibt nur zwei Gründe, daran festzuhalten: Wahlen in Deutschland und Österreich.

Sylvia Wörgetter

Man kann die Bürgermeister von Grödig und Wals-Siezenheim verstehen, wenn sie zu Notwehrmaßnahmen greifen. Irgendwann ist Schluss mit lustig. Und irgendwann endet auch das Verständnis gegenüber den CSU-Freunden jenseits der Staatsgrenze.

Seit Wochen wälzen sich Blechlawinen durch die beiden Salzburger Gemeinden, weil die Deutschen auf dem Autobahn-Grenzübergang Walserberg Kontrollen durchführen. Und weil sie das nur zweispurig tun, staut es auf der Autobahn bisweilen zurück bis in den Tennengau. Entnervte Autofahrer suchen Ausweichrouten, um den Flaschenhals auf der Autobahn zu umgehen. Sie verstopfen und verpesten mit ihren Fahrzeugen ganze Gemeinden. Wie Grödig und Wals-Siezenheim. Besonders schlimm ist es an den Wochenenden, wenn die Urlauber Schichtwechsel machen. Grödig hat Fahrverbote erwirkt, Wals wird sie nächste Woche bekommen. Heute, Samstag, greifen Bürgermeister Joachim Maislinger (ÖVP) und Anrainer zur Selbsthilfe. Sie sperren per Protestkundgebung den Ortsteil Gois de facto ab.

Es gab Gründe für die Wiedereinführung der Grenzkontrollen innerhalb der EU - damals, im September 2015, als die Flüchtlingswelle am Höhepunkt war. Damals wechselten täglich Tausende von einem Land ins andere. Damals führte Deutschland als erstes Schengenland Kontrollen ein.

Heute ist die Lage völlig anders. Heute sind es vielleicht ein paar Menschen täglich, die versuchen, illegal von Salzburg nach Deutschland zu gelangen. Wenn sie beziehungsweise ihre Schlepper einigermaßen bei Trost sind, dann fahren sie nicht über die Autobahn. In den zwei Jahren seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen dürften sich diese herumgesprochen haben. Wer über die Grenze will, kann diese - wie ein auf den folgenden Seiten zu lesender SN-Check ergab - an vielen Übergängen völlig unbehelligt und unkontrolliert passieren. In Großgmain ebenso wie in Oberndorf, auf dem kleinen Walserberg ebenso wie am Hangendenstein.

Warum also gibt es die Grenzkontrollen auf der deutschen Autobahn dann noch?

Wir vermuten, weil am 24. September die deutsche Bundestagswahl stattfindet. Und weil die CSU und der baye rische Ministerpräsident Horst Seehofer beweisen wollen, dass sie der "Wir schaffen das"-Politik von CDU-Kanzlerin Angela Merkel etwas entgegenzusetzen haben. Und wenn das kilometerlange Staus sind.

Dabei gäbe es wirksame Maßnahmen, die Grenzen zu kontrollieren. Und zwar ohne zwei Grenzregionen und Abertausende Urlauber ins Chaos zu stürzen. Eine dieser Maßnahmen ist die Schleierfahndung. Sie wurde seit dem Schengenabkommen verstärkt, eben um ein Gegengewicht zu offenen Grenzen in der EU zu schaffen.

Zumindest eine Linderung der Situation wäre es schon, würde nicht zwei- sondern vierspurig kontrolliert. Dann wären die Folgen nicht ganz so dramatisch. Aber vielleicht sehen die verantwortlichen Politiker in Staumeldungen ja einen Erfolgsnachweis ihrer Sicherheitspolitik?

Dass die österreichische Bundesregierung und die Salzburger Landesregierung nicht lautstark Protest gegen die deutschen Grenzkontrollen einlegen, hängt ebenfalls mit einer Wahl zusammen. Am 15. Oktober wählen die Österreicher den Nationalrat. Und SPÖ und ÖVP überbieten einander im Vorfeld mit Ideen, wie sie die Brennergrenze dicht zu machen gedenken. Dort findet im Moment zwar auch kein nennenswerter Flüchtlingsverkehr statt. Aber wer lange und laut genug ruft, dass es brennt, dem nimmt das Publikum vielleicht irgendwann den Feuerwehrmann ab. Oder aber, es ärgert sich. Und zwar grenzenlos.