Mehr als 250.000 syrisch-orthodoxe Christen sind in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Nahen Osten ausgewandert. Sie leben vor allem in Deutschland, Schweden, in den Niederlanden und den USA.
Die erste Flüchtlingswelle hatte den Tur Abdin betroffen. In dieser Hochebene in der Türkei, nahe der syrischen Grenze, war die kleine christliche Gemeinschaft zwischen die Fronten des türkischen Staates und der Kurdischen Arbeiterpartei AKP geraten. In der Folge haben viele ihr Heil im Ausland gesucht. Dadurch sind die Christen in Tur Abdin zuletzt auf 2500 Menschen geschrumpft.
Die zweite Auswanderungswelle war durch den Irakkrieg ausgelöst worden. Jetzt, in der dritten Welle, sind Hunderttausende Menschen aus Syrien auf der Flucht. Neben Muslimen, die dem Kampf zwischen Sunniten und Schiiten zu entkommen trachten, sind viele syrische Christen betroffen. Das ist nicht nur ein Aderlass an menschlichen Ressourcen, die für einen späteren Wiederaufbau in der Region dringend erforderlich wären. Es werden auch jene christlichen Gemeinden dezimiert, in denen noch Aramäisch gesprochen wird. Diese Sprache ist für das Christentum nicht irgendeine, sondern es ist die Sprache, die Jesus gesprochen hat, und zwar in jenem palästinensisch-aramäischen Dialekt, der vor 2000 Jahren in Galiläa und teilweise in Judäa verbreitet war.
Wenn diese Sprache verloren geht, dann geht auch ein direkter Bezug zu den Anfängen des Christentums verloren. Denn eine Sprache ist immer mehr als nur das Mittel der Verständigung. Sie ist Ausdruck des gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenlebens, in ihr schwingen Gedanken, Bilder, Geschichten und Mythen mit, die nicht ohne Weiteres in eine andere Sprache übertragen oder übersetzt werden können.
Der Verlust des Aramäischen wäre nicht nur für die direkt Betroffenen schmerzlich, sondern für das gesamte Christentum.