Kurienkardinal Lorenzo Baldisseri hat sich positiv über die Resonanz zur vatikanischen Umfrage über Familie, Ehe und Sexualität geäußert. Die Erhebung habe gezeigt, wie wichtig es sei, dass die Menschen ungefiltert über ihre Erfahrungen sprechen könnten, sagte er in einem Interview mit Radio Vatikan. So habe man nicht nur das Zeugnis von Paaren erhalten, die ihre Ehe im Einklang mit der kirchlichen Lehre lebten, sondern auch von solchen, deren Beziehung auseinandergegangen sei.
Voilà, möchte man sagen, das ist ja schon einmal ein guter Anfang, wenn Rom den Gläubigen in aller Welt eine Meinung zutraut, die ernst zu nehmen sei. Niemand kann im Moment abschätzen, was solche wohlwollenden Aussagen wirklich wiegen, wenn es bei der Versammlung der Bischöfe zur Ehe- und Familienpastoral im Herbst in Rom ums Eingemachte geht.
Aber es ist dieser andere Ton gegenüber dem Fußvolk, der nun doch schon seit einigen Monaten aufhorchen lässt. Da verändern sich grundlegende Haltungen, die in den vergangenen Jahrzehnten jeden noch so kleinen Fortschritt, jede noch so zaghafte Reform verhindert haben. Es hatte sich eine Schweigespirale entwickelt, die immer wieder von dem gleichen Punkt ausging und dorthin zurückkehrte: Rom will von Reformen nichts hören, also sagen die Bischöfe dort auch nichts "Unstatthaftes", womit Rom sich wiederum bestätigt fühlen konnte.
Jetzt durchbrechen Bischöfe diese Schweigespirale. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner sagte unlängst bei einer Begegnung in St. Virgil, er werde die Meinung der Gläubigen seiner Diözese in Rom vertreten. Auch wenn diese etwa in der Frage der wiederverheirateten Paare von der offiziellen Lehre abweiche.
"Sei es gelegen oder ungelegen", könnte man mit dem Apostel Paulus ergänzen. Wobei Bischöfe, die mit ihrem Kirchenvolk nach neuen Wegen in der Seelsorge suchen, derzeit einen Bonus haben: Rom selbst hat erstmals eingeladen, ungeschminkt die Wahrheit zu sagen.