Brot und Spiele, panem et circenses. Mit diesem geflügelten Wort hat der römische Dichter Juvenal die politischen Verhältnisse seiner Zeit kritisiert. Die brasilianische Regierung unter Dilma Rousseff hatte gehofft, das Volk durch die Fußball-WM beruhigen zu können. Das Kalkül war, dass es die "Seleção" unter heimischem Himmel schon schaffen würde. Die Euphorie über den WM-Sieg sollte wenige Monate vor den Wahlen die gewaltigen sozialen Missstände vergessen machen.
Dieses Kalkül ist nicht aufgegangen. Der Zusammenbruch der brasilianischen Elf im Spiel gegen Deutschland ist sogar zu einem nachhaltigen Bild für den Zustand des Landes geworden. Die Ausschreitungen nach dem desaströsen 1:7 haben gezeigt, wie stark der Unmut unter der Decke der WM glost.
Die Präsidentin sonnt sich gern im Kreise der führenden Wirtschaftsstaaten G-20, aber das Proletariat fristet ein notdürftiges Dasein. Knapp eine Million Familien leben in extremer Armut. Rund 50 Millionen Brasilianer stehen auf der Empfängerliste für soziale Hilfen. Für das Vorzeigeprojekt "Bolsa Família" schüttet der Staat jährlich 24 Mrd. Reais (rund 7,98 Mrd. Euro) aus. Das sind aber nur 0,46 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, von denen einen Teil die Korruption wegfrisst. "Diese Familienbeihilfe ist gut gemeint. Aber es fehlt die Kontrolle", sagt ein Pfarrer. "Zudem haben die Kinder oft monatelang keinen Unterricht."
Dem stehen Kosten für die WM gegenüber, die der brasilianische Rechnungshof (TCU) auf 26 Mrd. Reais (8,64 Mrd. Euro) schätzt. Davon muss 84 Prozent die öffentliche Hand aufbringen. Den Rekordgewinn von zehn Milliarden Reais (3,3 Mrd. Euro) streift die FIFA ein.
Es klingt wie ein Hohn, wenn Dilma Rousseff sagt, "wir haben das für die Brasilianer getan". Brot und Spiele? Die Präsidentin hat dem Volk extrem teure Spiele gegeben und kein Brot.