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Das kleine und das große "Ich bin Ich"

Mit ihrem Buch "Das kleine Ich bin Ich" hat die Schrifstellerin Mira Lobe seit 1972 die Kinderzimmer erobert. Auf einer Blumenwiese geht ein buntes Tier spazieren und will von allen anderen wissen, wer es denn sei.

Josef Bruckmoser

Die können ihm aber keine Auskunft geben, weil es keinen Namen hat. Letztlich kommt ihm der rettende Gedanke: "Sicherlich gibt es mich: ICH BIN ICH!"

Beim 17. Philosophicum Lech ging es nicht um das kleine, sondern um das große "Ich bin Ich". Mit dem tut sich die Philosophie schwer, weil die aktuelle Hirnforschung mit der Idee aufgeräumt hat, dass über allem Tun und Lassen ein Ich regiere. Richard David Precht, Autor des Bestsellers "Wer bin ich und wenn ja wie viele?", hat denn auch in Lech das Ich für philosophisch beerdigt erklärt.

Tatsächlich ist das Ich psychologisch, soziologisch und gesellschaftlich hin- und hergerissen zwischen Autonomie und Abhängigkeit, zwischen Narzissmus und Nächstenliebe, zwischen der Mitverantwortung für die ganze Welt und dem "Ich kann eh nichts ändern".

Der Leiter des Philosophicums Lech, Konrad Paul Liessmann, brachte diesen Widerspruch auf den Punkt: Zum einen habe keine Gesellschaft zuvor so sehr auf das Individuum und seine Individualität gepocht, zum anderen habe aber die Industrialisierung dazu geführt, dass Massen von Menschen massenhaft mit Gütern, Ideologien oder Meinungen - durch Massenmedien - versorgt und gesteuert werden können.

Beispiel Internet: Auf Facebook stellt sich jeder so individuell, so persönlich wie möglich dar. Am Ende wird sein "Persönlichkeitsprofil" aber doch ein berechenbarer Teil des Massenverhaltens und -konsums.

Bei aller Manipulation bleibt allerdings die ganz persönliche Verantwortung - wie groß oder wie klein man das "Ich" auch immer taxieren mag, dem diese Verantwortung zugemutet ist.