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Die Rückkehr der einsam-mächtigen Männer an die Spitze der Staaten

Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan kamen durch Wahl an die Macht - und wollen sie gar nicht mehr hergeben. Manche Politiker dürften sie beneiden.

Viktor Hermann


Der demokratische Prozess der Wahl eines Staatsoberhauptes ist die Norm in jenen Ländern, die wir der zivilisierten, freien Welt zurechnen. Eine der Säulen dieses Prozesses ist es, dass man den Gewählten wieder abwählen kann. Nicht überall aber beugen sich die Mächtigen diesem Prinzip freiwillig. Sie versuchen mit allerlei Tricks, die Verweildauer an den Hebeln der Macht und in deren Palästen zu verlängern.

Dabei zählen die Mächtigen in manchen Ländern auf die Sehnsucht vieler Menschen nach Führung und Leitung - selbst wenn damit ein gewisser Verlust an Demokratie verbunden ist. Die Begeisterung weiter Kreise der Bevölkerung für derart an der Macht klebende Herrscher mag uns ein wenig seltsam erscheinen. Doch sie ist eine Tatsache, die seltsamerweise die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten erfasst hat.

Da begeistern sich verkappte und offene postkommunistische Linke ebenso für Wladimir Putin wie aufrechte Konservative und unverbesserliche Rechte wie Marine Le Pen. (Freilich ist bei der rechtspopulistischen Dame aus Frankreich die Verwunderung nicht ganz so groß, denn immerhin hat Putin ihrer Partei aus der einen oder anderen finanziellen Verlegenheit geholfen.) Überhaupt treffen sich extreme politische Pole in trauter Gemeinsamkeit bei der Verehrung für den starken Typen, der die fettesten Fische fängt, der mit nacktem Oberkörper reitet und auf die Tigerjagd geht - selbstverständlich nur mit dem Betäubungsgewehr, denn der neue Zar im Kreml ist ja ein gütiger, wenn auch strenger Herrscher.

Ganz ähnlich und mit ähnlichem Erfolg stellt sich der Präsident der Türken dar. Recep Tayyip Erdoğan hat den Sprung vom Ministerpräsidenten in den Präsidentenpalast geschafft - ganz ähnlich wie Wladimir Putin, der ja auch zunächst Präsident war, dann Ministerpräsident und jetzt wieder Präsident. Ganz ähnlich auch wie der schon verstorbene venezolanische Politiker Hugo Chávez, der es vom gescheiterten Militärputschisten zum Präsidenten schaffte, der dann seine Macht durch Verfassungsänderungen so absicherte, dass ihn nur noch der Tod von seinem Amt trennen konnte. Wo sonst, wenn nicht in einer Beinahe-Bananenrepublik, wäre eine solche politische Karriere möglich. Und auch Chávez genießt unter den Linken und den populistischen Rechten Europas ein erhebliches Maß an Verehrung.

Wenn Erdoğan nun auch noch darauf besteht, dass Amerika nicht von Kolumbus oder den Wikingern entdeckt worden sei, sondern von einem Muslim, dann deutet das darauf hin, dass hier einer versucht, die eigene Größe auf dem Untergrund einer historischen Leistung noch einmal in die Höhe zu heben. Wenn Erdoğan noch lang so redet, dann wird er auch noch den Mond zum Eigentum der islamischen Welt umdefinieren.

In Europa gibt es noch zwei Beispiele: Der Ungar Viktor Orbán bekommt vor allem von konservativen Politikern unseres Kontinents mehr Lob als Tadel, obgleich er seine Verfassungsmehrheit dazu missbraucht, seine Herrschaft zu perpetuieren und jegliche Opposition an den Rand zu drängen. Auch Silvio Berlusconi konnte sich der Zustimmung vieler seiner europäischen Amtskollegen erfreuen, selbst als seine Auftritte schon mehr peinlich als amüsant waren. Aber immerhin, er erwies sich als Meister in der Kunst, sich an der Macht zu halten.

Vermutlich muss man aus dieser Verehrung für die starken, wenn auch nicht immer ganz lupenrein demokratischen Männer auf den seelischen Zustand der Bewunderer schließen. Einerseits befriedigen Typen wie Putin, Erdoğan und Chávez den Wunsch nach Führung, nach einer ordnenden Hand, die durchgreift, ungehemmt von den mühsamen Prozessen demokratischer Debatten. Und andererseits dürfte so mancher Politiker ganz tief in seinem Innersten die Sehnsucht verspüren, es ganz genau so zu machen wie diese harten Männer, denen Diskussionen wenig bedeuten.

Man muss dabei gar nicht an intellektuelle Leichtgewichte wie unsere heimischen Populismus-Gewächse denken, sondern an den Macho und Macher Gerhard Schröder. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler pflegt ja nicht nur eine auch finanziell lukrative Freundschaft zu Wladimir Putin, er fand es ja auch enorm schwer, sich von seinem Amt zu trennen, noch dazu, da er einer Frau Platz machen musste.

Vielleicht liegt ja die Erklärung für all diese Bewunderung der Starken und Mächtigen auch im Hormonhaushalt. Testosteronschwangere Typen werden von anderen testosterongeladenen Typen eben bewundert. Da bleibt dann halt kein Raum mehr für Überlegungen und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte.