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Die Wohlstandsbremse ist europäisch hausgemacht

Die Integration der Flüchtlinge kostet Geld. Die wesentlichen Einbrüche beim Wohlstand gab es aber schon lange vorher.

Josef Bruckmoser

Die Zuwanderung von Tausenden Flüchtlingen, die kein Ende zu nehmen scheint, hat in Deutschland und Österreich große Befürchtungen um den hart erarbeiteten Wohlstand ausgelöst. Tatsächlich steht außer Frage, dass die Kosten für die Integration dieser Menschen über die kommenden Jahre gerechnet in die Milliarden gehen werden. Aber was den befürchteten Einbruch beim Wohlstand betrifft, sind die Flüchtlinge mehr ein Symptom als die Ursache.

Die Ursachen sind deutlich früher zu suchen und es dürften im Wesentlichen drei Faktoren sein: Erstens wurden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den prosperierenden Ländern der EU schon seit den 1990er-Jahren nicht mehr anteilig an den Erträgen des Wirtschaftswachstums beteiligt. Zumal Deutschland spielte dabei eine Vorreiterrolle. Vornehm ausgedrückt nannte man das Zurückhaltung bei den Lohnrunden. Rechnerisch bedeutete das unter dem Strich: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nicht ihren gerechten Teil am wachsenden Kuchen erhalten.

Der zweite Faktor, der den erarbeiteten Wohlstand auf Dauer untergräbt, betrifft ebenfalls die Löhne. Viele Kollektivverträge fallen für die jungen Leute, die neu in das Berufsleben eintreten, deutlich schlechter aus als für die älteren. Das bedeutet nicht nur, wie Punkt eins, eine Bremse der Wohlstandsentwicklung, sondern es ist ein spürbarer Einbruch - bis hin zur Frage, ob diese heute jungen Menschen je von einer staatlichen Pension werden leben können.

Die dritte Ursache für das verbreitete Gefühl, dass sich die Wohlstandskurve abflacht oder gar nach unten bewegt, ist die schleichende Enteignung der Sparerinnen und Sparer. Die Europäische Zentralbank versucht durch Geldschwemme und Negativzinsen die hoch verschuldeten Staaten zu entlasten. Das geht auf Kosten jener Menschen, die sich durch Erspartes u. a. ihren Lebensabend sichern wollten.

Die Wohlstandsbremse hat also schon lange, lange vor der Flüchtlingswelle eingesetzt. Und sie ist europäisch hausgemacht.