SN.AT / Kolumne / Zeitzeichen / Zeitzeichen

Historische Geste am Grab von Theodor Herzl

Josef Bruckmoser

Als erstes Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche hat Papst Franziskus am Grab von Theodor Herzl einen Kranz niedergelegt. Es war eine historische Geste auf dem langen und leidvollen Weg der Aussöhnung des Vatikans mit dem Judenstaat. Vor 110 Jahren war der Gründer der zionistischen Bewegung in Privataudienz bei Papst Pius X. gewesen. Herzl ersuchte den Papst um Hilfe bei der Errichtung des Judenstaats. Ein Ansinnen, das für Pius X. undenkbar war. "Die Juden haben Unseren Herrn nicht anerkannt, und daher können wir das jüdische Volk nicht anerkennen", zitierte Herzl in seinem Tagebuch den Papst.

Franziskus hat nicht nur diese folgenschwere Ablehnung des Judenstaates umgekehrt. Er hat den Vatikan auch als Friedensplattform für Israel und die Palästinenser angeboten - eine Einladung, die Israels Staatspräsident Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nicht ablehnen konnten. Dass ihr Treffen im Vatikan den wieder einmal festgefahrenen Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern voranbringen könnte, wird von Beobachtern bezweifelt. An einem aber gibt es keinen Zweifel: Dass Papst Franziskus damit einen weiteren großen Schritt in der Beziehung des Vatikans zum Judentum gemacht hat.

Der Papst hat schon als Kardinal von Buenos Aires gute Kontakte mit den Juden gepflegt. Von daher stammt wohl auch die Sicherheit, die er bei seinem Besuch auf dem nahöstlichen Minenfeld an den Tag gelegt hat.

Am 28. Oktober 1965 hatte das Zweite Vatikanische Konzil das gemeinsame geistliche Erbe beschworen, das Christen und Juden verbinde. Am 12. März 2000 folgte das Schuldbekenntnis von Papst Johannes Paul II. Bei seinem Besuch in Israel und Palästina hat Franziskus diese Linie bekräftigt und weitergeführt.