Ob beim Klima oder beim Geld - die Ethik hinkt der Realität immer hintennach. Schon Bert Brecht (1898- 1956) wusste dieses Lied zu singen: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral.
Aber es gibt ein Beispiel, das Hoffnung macht: die Umweltpolitik der 1970er- und 1980er-Jahre. Sie lässt sich am besten am Autoabgaskatalysator illustrieren. Schon 1956 hatte ein französischer Ingenieur ein Patent dafür angemeldet. Aber erst 1989 wurde der Katalysator in Deutschland für Neufahrzeuge verpflichtend. Erst ab 1993 gab es tatsächlich nur mehr Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Dreiwegekatalysator - das alles nach jahrelangen Kampagnen der Autoindustrie, dass der Katalysator die Motoren ruinieren und Autos reihenweise in die Luft fliegen würden.
Ein halbes Jahrhundert ist also von der Erfindung bis zur Breitenwirkung vergangen. In dieser Zeit sind die Schadstoffanteile in der Luft immer gesundheitsschädlicher geworden, das Waldsterben ist als mediales Megathema in die Schlagzeilen gekommen und Umweltinitiativen haben in harten politischen Auseinandersetzungen saubere Flüsse durchgesetzt.
Durch praktische Erfahrungen und das Voranpreschen kleiner Aktivistengruppen ist in der breiten Bevölkerung die Erkenntnis gesickert, dass es mit der Umweltzerstörung so nicht weitergehen könne. Grüne Parteien wurden gegründet und erhielten Zuspruch bei den Wahlen. Zuletzt mussten die damaligen Großparteien selbst das Umweltthema aufgreifen.
Hätte man das alles den freien Kräften der Wirtschaft überlassen, gäbe es noch immer Autos ohne Abgasfilter. Dasselbe gilt heute für die Klimapolitik und für die Finanzwirtschaft: Der Markt regelt solche Menschheitsfragen nicht von selbst, sondern es braucht dafür ein Regelwerk.
Die Energiewende in Deutschland ist das aktuelle positive Beispiel: ein Sieg der Vernunft und der Ethik, so wie es vor 20 Jahren der Katalysator war.