SN.AT / Kolumne / Zeitzeichen / Zeitzeichen

Noch sind wir freie Menschen und keine Klone

Bei den diesjährigen Goldegger Dialogen geht es um Autonomie und Verantwortung. Durch den jüngsten wissenschaftlichen Durchbruch beim Klonen von Menschen gewinnt das Thema eine zusätzliche Brisanz.

Josef Bruckmoser

In keiner anderen Kultur war oder ist der Mensch so frei wie in der westlichen Zivilisation der Moderne. Zwar ist die Abhängigkeit von wirtschaftlichen und sozialen Faktoren seit der Banken- und Finanzkrise wieder deutlich gestiegen. Aber das Bewusstsein oder zumindest das vage Gefühl, grundsätzlich ein freies Individuum zu sein, ist dadurch - noch - nicht massiv beschädigt worden. Denn das gesellschaftliche Korsett, das als persönlichste Einschränkung erlebt wird, hat sich weitgehend aufgelöst. Die Normen und Vorschriften, die Traditionen und die ungeschriebenen Gesetze, die religiösen Gebote oder ein undefinierbares "Das tut man nicht" gelten nicht mehr oder müssen sich neu als begründet erweisen.

Dass mit dieser Freiheit auch eine enorme Last verbunden ist, wird eines der Themen bei den diesjährigen Goldegger Dialogen sein. Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid hat das in den SN so formuliert: "Der Mensch muss sich die Grenzen seiner Freiheit jetzt selbst setzen. Aber das ist nicht leicht."

Als hätte es noch einer Bestätigung bedurft, ist dieser Tage die Nachricht geplatzt, dass es jetzt prinzipiell möglich ist, Menschen zu klonen. Was am 5. Juli 1996 mit dem Klonschaf Dolly begonnen hat, ist beim Menschen angekommen. Alle beschwörenden Worte von damals - das Klonen von Menschen werde nie möglich sein und wenn, dann würde es niemand tun - sind in den Wind gesprochen.

Viel früher als erwartet - oder befürchtet - wird die Menschheit vor der Entscheidung stehen, ob sie das, was die Wissenschaft kann, auch zulassen und machen wird. Die Erfahrung macht leicht nachdenklich: die Atombombe wurde gebaut, und sie wurde angewendet; die Erzeugung von Menschen in der Petrischale wurde erforscht, und sie wird angewendet. Das Klonen von Menschen wird technisch möglich - und was nun?

Wir können heute nur so viel sagen: Der Stress des freien Individuums, sich in Freiheit für oder gegen eine persönliche - oder auch gesellschaftliche - Option zu entscheiden, wird nicht geringer werden, sondern weiter zunehmen. Optimisten hoffen auf eine internationale Ächtung des Klonens von Menschen. Das ist schwierig zu erreichen und zu vollziehen. Aber noch haben wir die Freiheit dazu.