Kinder und Jugendliche sind abhängig - in unterschiedlicher Weise - von Eltern, Lehrkräften, Betreuungspersonen. Und sie haben Grundbedürfnisse wie Sicherheit, wirtschaftliches Auskommen, Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstbestimmung. Die 66. Internationale Pädagogische Werktagung, die heute, Freitag, in der Aula der Universität Salzburg zu Ende geht, hat vor dem Hintergrund dieser Lebens- und Bedürfnislage das Thema "Kinderrechte" in seiner seelischen, sozialen und pädagogischen Dimension ausgeleuchtet.
Der namhafte Schweizer Pädagoge und Psychologe Fritz Oser bringt den - oft scheinbaren - Widerspruch zwischen der Erziehungsverantwortung der Erwachsenen und der Autonomie des Kindes in seinem Schlussreferat noch einmal auf den Punkt. Demnach hat das Kind ein Recht, eine moralische Norm kennenzulernen, sich dann aber frei dafür oder dagegen zu entscheiden. "Man muss Normen setzen und sie dem Kind erklären, aber man muss ihm dann das Recht geben, die Norm einzuhalten oder abzulehnen", betont Oser. "Das Kind kann nur teilweise erkennen, worum es geht. Es hat die Norm aber auch dann gelernt, wenn es ihr nicht folgt, wenn es nicht tut, was ihm die Eltern oder die Lehrperson erklärt haben."
Der erfahrene Erziehungswissenschafter, zu dessen Arbeitsschwerpunkten die moralische Erziehung gehört, plädiert damit einerseits klar für eine aktive Rolle von Eltern, Erzieherinnen und Erziehern. Das Kind habe zum Beispiel das Recht, zu Aktivitäten motiviert zu werden, deren Sinn es vorerst noch nicht ganz einsehe, etwa ein Instrument zu lernen. Ein Kind habe das Recht, dass man ihm Einhalt gebiete, wenn es sich durch seine Aggression selbst in Gefahr bringe, und es habe das Recht, von Drogen und drogenähnlichen Substanzen ferngehalten zu werden - auch wenn das nur unter Konflikten möglich sei. Nicht zuletzt habe ein Kind ein Recht auf eine wohlbegründete Strafe.
Oser bindet diese aktive pädagogische Rolle aber immer an den Respekt vor der jeweils folgenden Entscheidung des Kindes. Denn das Kind habe auch ein Recht auf "negatives Wissen", also darauf, aus eigenen Fehlern oder aus den Fehlern von anderen zu lernen.
Der polnische Kinderarzt Janusz Korczak (1878-1942) hat diesen Vertrauensvorschuss in das Kind als dreifaches Recht formuliert: Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag, das Recht des Kindes, das zu sein, was es ist, und das Recht des Kindes auf den eigenen Tod - was zunächst missverständlich klingt, aber ein Zweifaches heißen kann: Jedes Kind hat ein Recht auf seine Lebenszeit - und dass es nicht vorzeitig durch Hunger, Gewalt oder Krieg sterben muss. Und jedes Kind hat das Recht, nicht ständig überbehütet zu sein aus der Sorge, dass ihm etwas zustoßen könnte.
Schärfer könnte die kritische Balance von Verantwortung der Erwachsenen und Selbstständigkeit des Kindes nicht ausgedrückt werden. Es ist für jede Eltern- und Erziehergeneration eine neue, schöne Herausforderung.