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Lateinamerikaner können unbequem werden

Franziskus wird noch häufiger unbequem auffallen.

Josef Bruckmoser

Die Elite der Wirtschaftsjournalisten hat sich in Superlativen überschlagen. Der neue Papst, der sich gar so sehr über die Auswüchse eines unmenschlichen Kapitalismus echauffiere, kenne sich in dieser Sache nicht aus und solle doch bei seinem Leisten bleiben.

Der Papst vertrete "einen besonders grobschächtigen Antikapitalismus", war in der FAZ zu lesen. Das sei im Christentum von Anfang an schief gelaufen, weil die Apostel die Armut gepredigt hätten "und nicht die Tugenden der Kaufleute und des Unternehmertums". "Die Zeit" richtete dem Papst aus, er zeige wenig Verständnis für das, "was in der Wirtschaft vorgeht und was sie ausmacht".

Der Anlass ist das Schreiben "Evangelii gaudium" gewesen. Darin hat der Papst aus Lateinamerika "die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation" kritisiert und die extrem ungleiche Verteilung des Eigentums als "Wurzel sozialer Übel" benannt. Das hätte man auch in der Katholischen Soziallehre nachlesen können. Aber die ist ein abstraktes Theoriegebäude und tut niemandem weh. Damit müssen sich die Wirtschaftsexperten rechts der Mitte nicht befassen.

Mit dem Papst schon. Denn der Mann auf dem Stuhl Petri ist zwar bei Gott kein Linker. Aber er ist in der sozialen Frage von den alttestamentlichen Propheten genauso geprägt wie von der südamerikanischen Befreiungstheologie. So entstehen Sätze wie: "Diese Wirtschaft tötet."

Ein Satz, dessen Wahrheitsgehalt jeder überprüfen kann, der jemals in einer Favela in Rio gewesen ist. Oder der gesehen hat, wie in Amazonien die "Konquista" und "Kolonisation" betrieben wird. Gegen die Indios, gegen den Regenwald und gegen alle Schwüre für den Klimaschutz.

Franziskus wird da noch häufiger unbequem auffallen. Dem Vernehmen nach ist bereits ein päpstliches Schreiben über Ökologie und Klimawandel in Arbeit.