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Wie man Politikern die Unsitte unhaltbarer Ankündigungen abgewöhnt

Politik wandelt sich zusehends von der Kunst des Möglichen zur Unart, das Unmögliche zu versprechen und dann nicht zu halten.

Viktor Hermann

Finanzminister Hans Jörg Schelling hat sich dieser Tage ein gerüttelt Maß an Applaus abgeholt. Der Mann hat versprochen, was sich jeder Steuerzahler wünscht: die Abschaffung der kalten Progression. Das begeistert das Publikum schon deshalb, weil seit Jahren, ja man könnte auch sagen: seit Jahrzehnten genau diese Forderung zum Repertoire der Klagen braver Steuerzahler gehört.

Jeder Arbeitnehmer hat es schon erlebt: Man klettert die Karriereleiter hoch, das Bruttogehalt steigt mit, und am nächsten Ersten trifft einen beim Blick auf den Lohnzettel der Schlag in die Magengrube - das Mehr an Brutto bringt den Eintritt in eine neue Steuerklasse und damit ein bestenfalls mageres Mehr an Netto oder im schlimmsten Fall gar einen Nettoverlust. Oder man freut sich über einen guten Lohnabschluss der Gewerkschaft und wundert sich, weshalb zwar das Bruttogehalt steigt, das Nettogehalt diesen Zuwachs nicht mitmachen will. Die kalte Progression hat zugeschlagen. Schelling und die ganze ÖVP versprechen jetzt, das werde geändert.

Szenenwechsel zur jüngsten Steuerreform. Sie wurde angekündigt als die größte Steuerreform aller Zeiten (so wie bisher alle Steuerreformen), beschränkte sich aber nach viel Hin und Her darauf, den Verlust durch die kalte Progression der vergangenen fünf Jahre auszugleichen - im Nachhinein.

Noch ein Szenenwechsel: Seit Jahren verspricht die Politik einen Unsinn der Sonderklasse abzuschaffen. Wer als Alterspensionist noch ein wenig Geld dazuverdient, zahlt für diesen Zuverdienst selbstverständlich Steuern, Krankenversicherung und in eine Pensionsversicherung ein. Wenn Pensionisten in eine Pensionsversicherung einzahlen, ab wann, so möchte man fragen, sind sie dann aus dieser Pensionsversicherung pensionsberechtigt? Ist das dann eine Art Pensionspensionsversicherung? Die Politik ist aufgerufen, diesen Unsinn abzuschaffen. Sogar die SVA, die ja diese Pensionsbeiträge kassiert, will sie abschaffen. Geschehen ist bis heute nichts.

Dritter Szenenwechsel: Kulturminister Josef Ostermayer kündigte diese Woche in einem SN-Interview an, Spenden für Kunst und Kultur würden künftig steuerlich begünstigt. Damit sollten die Nachteile für den Kultursektor ausgeglichen werden, die durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer entstanden sind. Die Absichtserklärung des Ministers in allen Ehren, aber warum nur sind wir so skeptisch ob der Verwirklichung dieses Versprechens.

Die Politik hat es sich zur Angewohnheit gemacht, allerlei anzukündigen und zu versprechen. Blickt man mit einigem Abstand zurück, so stellt man fest, dass es mit der Umsetzung der schönen Ankündigungen und Versprechungen nicht allzu weit her ist.

Deshalb ein Vorschlag, der ganz leicht umzusetzen wäre und entweder die Ankündigungsflut eindämmen oder die Umsetzungsbereitschaft fördern könnte. Was wäre, wenn zunächst einmal jeder Minister und jeder Politiker einer Regierungspartei verpflichtet würde, jeder Ankündigung einer Initiative tatsächlich eine Initiative folgen zu lassen. Sagen wir, ein Minister, der die Abschaffung der kalten Progression ankündigt, muss binnen 30 Tagen einen durchdachten, ausgewogenen Gesetzesentwurf vorlegen, der im Parlament einzubringen ist. Man könnte das auch auf Mitglieder der Opposition ausdehnen. Denn die tun sich ja leicht mit Ankündigungen, denen sie nie Taten folgen lassen müssen. Auch sie sollten gezwungen werden, mehr als nur Heißluftballons zu produzieren.

Das hätte gleich mehrere Vorteile: Zum einen müsste sich jeder Politiker, der sich durch ein Versprechen ins Gespräch bringen will, drei Mal überlegen, was er da ankündigt. Er müsste sich über die Bedeckung seiner Initiative und deren Folgen Gedanken machen. Bringt er einen entsprechenden Gesetzesvorschlag ins Parlament, wird dieser debattiert, angenommen oder verworfen. Damit müsste solch ein Politiker das Risiko eingehen, dass die Menschen immer wieder an seine Initiative erinnert würden - und sich sein Scheitern genauso merken würden wie seinen Erfolg.

Wollten wir diesen Vorschlag umsetzen, hätten wir in jedem Fall Vorteile zu genießen. Entweder die Politik erspart uns künftig unhaltbare Versprechungen oder sie gibt richtig Gas, um ihre Ankündigungen tatsächlich auch umzusetzen.