Je näher in der öffentlichen Wahrnehmung die Pleite Griechenlands rückt, desto heftiger werden die Debatten darum, wer denn an dem Desaster die Hauptschuld trage. Und, oh Wunder, die Schuldigen sind recht rasch gefunden. Es ist "das Finanzsystem", es sind die Eurostaaten, "die Deutschen" oder gar "die liberalen Kräfte in der EU". Alle diese haben sich verschworen, um den bedauernswerten Griechen die Rückkehr in den Kreis der prosperierenden Nationen zu verwehren.
Es ist im Lager der Verschwörungstheoretiker nicht die Rede davon, dass der griechische Staat sich selbst in die Pleite manövriert hat. Niemand spricht mehr davon, dass Athen vor dem Beitritt zur Eurozone seine Bilanzen gefälscht hat, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen den Rest der europäischen Gemeinschaft glauben machte, da stoße ein wirtschaftlich gesundes Land zum exklusiven Kreis der Eurostaaten.
Man macht sich keine Gedanken darüber, dass Griechenland im Würgegriff eines ineffizienten Beamtenheeres schwitzt, das auf der einen Seite wenig arbeitet und auf der anderen zu viel kostet. Vor allem linke Politiker in ganz Westeuropa jubeln über das Verhalten von Finanzminister Yanis Varoufakis, der "es den Bossen der Finanzindustrie so richtig zeigt". Dass der Mann in mehr als drei Monaten nicht einen vernünftigen Vorschlag zur Strukturreform in Griechenland vorgelegt hat, kümmert dabei wenig. Stattdessen wirft man der EZB und der EU generell vor, dass sie Athen unter Druck setzten und damit zu harten Maßnahmen zwängen, die ausgerechnet die Ärmsten des Landes träfen.
Nun, es bliebe der griechischen Regierung unbenommen, die Millionäre zur Kasse zu bitten, statt die Mindestrenten zu kürzen. Niemand verbietet ihr, den Steuervollzug so straff zu gestalten, wie wir das in Österreich oder Deutschland gewohnt sind. Dann käme auch ordentlich Geld in die Staatskasse.
Die Verfechter der Idee, es gebe eine regelrechte Verschwörung gegen Griechenland, führen immer wieder ins Feld, man habe bisher lediglich die deutschen und französischen Banken gerettet, bei denen die Griechen tief in der Kreide stehen. Seltsam, offensichtlich vergessen die Verschwörungstheoretiker, dass es ja schon einen Schuldenschnitt gegeben hat, der die Banken getroffen hat. Und der nächste Schuldenschnitt wird die Steuerzahler in der ganzen Eurozone treffen, auch jene in den Staaten, die sich gerade erst am eigenen Schopf aus der Misere gezogen haben: Irland, Spanien und Portugal haben erfolgreich Reformen durchgeführt und sich aus der Gefahrenzone gerettet.
Griechenland leistet sich eine der größten Armeen Europas und stattet diese mit dem modernsten Gerät aus, das Russland liefern kann - gerade so, als wolle man den Partnern in EU und NATO eine lange Nase drehen.
Das Argument, Alexis Tsipras und die Syriza seien ja für ihre Wahlversprechungen gewählt worden und nicht, um die Fehler der früheren Regierungen auszubügeln, sticht nicht. Denn jede Regierung übernimmt einen existierenden Staat mit all seinem Vermögen und seinen Schulden. Und jede Regierung, ob in Griechenland oder sonst wo, muss das vorhandene Vermögen verwalten und für die vorhandenen Schulden geradestehen.
Denn für den Gläubiger ist es irrelevant, ob sich der Schuldner einen neuen Haushaltsvorstand gesucht hat - die alten Verbindlichkeiten bleiben davon unberührt.