SN.AT / Kolumne / Zorn und Zweifel

Der radikalisierten Sprache folgen oft Hass und Gewalt

Wer den politischen Gegner verunglimpft, tut dies sehr oft auch, um ihm seine Identität als Mensch zu nehmen.

Viktor Hermann

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist in jüngster Zeit Zielscheibe von Hohn und Spott in europäischen Medien. Satiriker dichten Songs, in denen der Mann als Möchtegern-Sultan und als autokratischer Diktator dargestellt wird, der jeden einsperrt, der es wagt, den Herrscher zu kritisieren. Die Reaktion des Mannes zeigt, wie sehr ihn das getroffen hat und wie sehr der Herrscher in Ankara das Wesen der Meinungsfreiheit missverstanden hat.

Einem anderen Missverständnis freilich unterlag ein Satiriker im deutschen Fernsehen mit seiner Attacke. Darin wurde Erdoğan als übel riechender Kerl dargestellt, der Sex mit Ziegen hat. Das mag bei manchem schenkelklopfende Begeisterung provoziert haben, witzig war das nicht und Satire war es auch nicht. Der Schritt des ZDF, den Sketch aus der Videothek zu streichen, war richtig. Wer diesen Schnitt als Zensur bezeichnet, hat vermutlich nicht bedacht, welches Konzept hinter derartigen Verunglimpfungen steckt.

Das Konzept heißt "Entmenschlichung" und der Zweck ist ganz einfach: Der so als abartiger Typ dargestellte Mensch wird zum medialen Abschuss freigegeben. Die Tatsache, dass auch der Herr Erdoğan genau das Gleiche tut, macht die Sache nicht besser. Denn Erdoğan diffamiert ja jeden, der gegen seine Politik demonstriert, als "Terroristen", und jeden Kurden auch, gleichgültig ob er nun lediglich als Kurde leben will oder tatsächlich mit Waffengewalt gegen den türkischen Staat kämpft. Erdoğan rückt jeden kritischen Journalisten ins Eck der Weltverschwörer und lässt ihn einsperren.

Die Praxis, Menschen schon durch Sprache und Wortwahl zu vernichten, haben die Nazis zu grausiger Perfektion getrieben. Im Dritten Reich hat man die Juden zuerst verbal auf das Niveau von Ungeziefer hinunterdefiniert - und damit den größten Massenmord der Geschichte vorbereitet.

Niemand unterstellt einem deutschen Satiriker einen derart finsteren Plan, wohl aber muss er sich gefallen lassen, dass man ihm Ahnungslosigkeit gegenüber ausgerechnet der deutschen Geschichte unterstellt. Die Streichung des Beitrags aus der ZDF-Videothek ist keine Zensur. Wir müssen uns der Verrohung der Sprache entgegenstemmen. Denn von ins Unmenschliche überzogener Satire ist es nicht allzu weit zur Hasspredigt. Und davon haben wir in Österreich und Deutschland genug - dank all jener, die sich zu radikalen Rettern des Abendlandes hochstilisieren.