Der Fortschritt meint es nicht gut mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten dieser Welt. Eines der Statussymbole der vergangenen Jahrzehnte hat seine Anziehungskraft eingebüßt. Fernseh- und Radiogeräte werden immer öfter durch elektronische Geräte ersetzt, die nicht mehr auf Antennen und Kabel angewiesen sind, weil sie ihre Inhalte aus dem Internet beziehen. Wo immer öffentlich-rechtliche Anstalten ihre Basisfinanzierung auf der Grundlage der Gebühren von Medienkonsumenten sichern, werden die Geldflüsse immer magerer, ja sie drohen völlig abzureißen.
Das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichtshofes, wonach keine ORF-Gebühr bezahlen muss, wer Radioprogramme nicht durch ein Radio empfängt, sondern per Computer, hat in Österreich die Debatte über das Gebührenmodell angefacht. Der ORF fürchtet - ganz so wie die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland und in Großbritannien - langfristig finanzielle Verluste und hat auch, so wie seine Kollegen anderswo, schon die Lösung parat: Man will schlicht und einfach von jedem Haushalt im Lande eine Medienabgabe einziehen. Das würde die finanzielle Sicherheit der Anstalten garantieren - und zugleich den gerechten Zorn der so Geschröpften.
Eine Medienabgabe für alle, in die womöglich auch noch die Presseförderung eingebettet wäre, litte nicht nur unter einem schweren Makel, sondern gleich mehreren:
Die Medienabgabe wäre nicht nur "unabhängig vom technischen Verbreitungsweg", wie Harald Kräuter, der Chef der ORF-Gebührentochter GIS, sagte, sie wäre auch völlig unabhängig vom Medienkonsum. So mancher Medienkonsument fragt sich schon lange, was er eigentlich für seine Gebühr bekommt - denn nicht jeder, der ein Fernsehgerät zu Hause stehen hat, nutzt auch die Programme des ORF. Nach der derzeitigen Gesetzeslage kann sich niemand vor der Gebühr drücken, denn er könnte ja neben Hunderten anderen TV-Programmen auch das Angebot des ORF nutzen.
Ganz zu schweigen von den zusätzlichen Abgaben, die mit der ORF-Gebühr kassiert und ganz woanders hingeleitet werden. Was leistet denn das Land Salzburg für vier Euro siebzig, die es jeden Monat von jedem Salzburger Gebührenzahler bekommt? Und worauf müssen die Oberösterreicher verzichten, denen ihr Bundesland keine solche Landesabgabe abknöpft? Was also hat ein erheblicher Teil der sogenannten Rundfunkgebühr noch mit dem Rundfunk zu tun?
Eine Medienabgabe für jeden Haushalt würde also die Ungerechtigkeit verschärfen, dass alle zahlen müssen, unabhängig vom Gegenwert, den sie bekommen. Dann sollten wir doch gleich von einer neuen Steuer sprechen, die auch nicht mehr über eine eigene Gesellschaft namens GIS einzuheben wäre. Denn für die Steuereintreibung haben wir ja ein gut gerüstetes Finanzministerium mit hinreichend geschulten Finanzbeamten, die die Mediensteuer eintreiben, verwalten und weiterleiten könnten.
Allerdings hat so eine Haushaltsabgabe/Mediensteuer einen gewaltigen Pferdefuß. Solange der ORF eine Gebühr von seinen Kunden einhebt, kann er sicher sein, dass wenigstens jener Teil dieser Abgabe, der als ORF-Gebühr für den Empfang der ORF-Programme ausgeschildert ist, auch tatsächlich an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht. Sobald das in eine Steuer für alle Haushalte umgewandelt wird, erleidet die ORF-Gebühr das Schicksal aller zweckgebundenen Steuern: Sie wird nach einer kurzen Schamfrist zum Stopfen von Löchern im Budget missbraucht werden, anstatt dem eigentlichen Zweck zuzufließen.
Damit wäre der unabhängige Rundfunk, in den die Parteien ohnehin schon nach eigenem Gusto hineinregieren, völlig der Willkür und den Wünschen der Regierung ausgeliefert. Dann würden nicht mehr nur Parteisekretäre per Telefon ihre Wünsche deponieren, dann würden nicht nur Parteizentralen bei der Besetzung wichtiger Posten mitreden. Dann hätte die Regierung den ORF auch noch finanziell im Würgegriff.
Für den Plan, die Rundfunkgebühr durch eine allgemeine Haushaltsabgabe zu ersetzen, gilt wohl der Grundsatz, dass man sehr vorsichtig mit allem sein müsse, was man sich wünscht. Denn die Erfüllung des Wunsches könnte mehr Nachteile als Vorteile bringen.