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Wie ein Lauschangriff sich hinter dem anderen versteckt

Die jüngsten Enthüllungen über die Schnüffelei der NSA kommen den deutschen Schnüfflern gerade recht.

Viktor Hermann

Es ist ja wirklich eine maßlose Schweinerei, was WikiLeaks da wieder enthüllt hat: Der amerikanische Geheimdienst NSA hat nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel belauscht, nein, er hat auch noch Merkel im Gespräch mit UNO-Generalsekretär Ban
Ki Moon belauscht, als die beiden sich über den Klimawandel unterhielten. Tatsächlich hat WikiLeaks-Gründer Julian Assange recht, wenn er sagt, dass niemand mehr sicher sein könne vor einem Lauschangriff, wenn schon nicht einmal mehr die deutsche Kanzlerin und der UNO-Generalsekretär miteinander reden könnten, ohne dass irgendwo jedes Wort des Gesprächs aufgezeichnet wird.

Es mag ja ein Zufall sein, aber doch ein sehr seltsamer, dass am selben Tag, an dem sich Deutschland völlig zu Recht empört über die unziemliche Neugier der Amerikaner, noch jemand einen Durchbruch in der Abteilung Lausch und Raster geschafft hat. Das deutsche Bundeskriminalamt hat jetzt das erhalten, was es schon so lang sehnsüchtig erwartet hatte: die Freigabe des sogenannten Bundestrojaners. Nein, das ist nichts Museales und auch nichts Historisches. Die deutschen Behörden haben damit die Möglichkeit, in jeden Computer oder PC, in jedes Tablet oder Smartphone ein Programm einzuschleusen, das jede Kommunikation dieses Geräts mit der Welt aufzeichnet. Also genau genommen können jetzt die deutschen Behörden das tun, was eine ganz furchtbare Schweinerei ist, wenn es die NSA tut, aber der inneren Sicherheit dient, wenn es das Bundeskriminalamt macht.

Selbstverständlich ist der Einsatz des Bundestrojaners streng geregelt. Doch es wäre das erste Mal, dass die Exekutive nicht der Versuchung erläge, den Einsatz dieser Programme extensiv zu nutzen, im Einsatz gegen Kriminelle selbstverständlich. Freilich muss man auch befürchten, dass übereifrige Beamte in den Abteilungen Lausch und Raster sich über ganz normale Bürger hermachen, deren PC und Smartphone vorsorglich mit einem Trojaner ausstatten und sie vorsorglich belauschen. Niemand wird glauben, dass diese Schnüffelprogramme wirklich nur gegen schon bekannte Kriminelle oder bei einem begründeten Verdacht eingesetzt werden. Es ist doch sehr verlockend, einfach einmal draufloszulauschen, wird schon was hängen bleiben.

Und so wird aus dem Zufall, dass an dem Tag die Empörung über die NSA hochkocht, an dem auch die deutschen Lauscher neue Mittel für ihr Tun erhalten, die Gewissheit: Da versucht jemand, den einen Schnüffelskandal hinter einem anderen zu verstecken. Wir erinnern uns noch: Die deutsche Politik war schon früher empört über die Lauschaktionen der NSA gegen Angela Merkel, bis - peinlich, peinlich - bekannt wurde, dass der deutsche Geheimdienst BND französische Regierungspolitiker genauso belauscht hatte.