Drachen kann man kaufen oder selbst basteln. Dafür reichen schon ein Müllsack, Zwirn und Klebeband. Oder man nimmt eine mittelformatige Zeitung, Malerkrepp, ein paar dünne Bambusstäbe und Zwirn. Bauanleitungen liefert das Internet. "Will man mehr, wird es etwas komplexer", sagt Rolf Stohanzl, Obmann des 1. Wiener Drachenbau- und Flugvereins. "Da sollte man mit der Nähmaschine umgehen können, ein bisschen technisches Verständnis für Schablonenbau für den Zuschnitt haben und mit Carbon, Glasfaser, Verbindungsmuffen und Zweikomponentenkleber umgehen können." Eine noch größere Herausforderung ist der Bau von gestängelosen Drachen.
Bei der Wahl des Baumaterials ist Fritz Harich behilflich. Er führt das Geschäft Kreativdrachen in Wels, inzwischen das einzige Geschäft in Österreich für die Drachenbauszene und Interessierte. Drachen werden heute aus Spinakernylon sowie Carbon- und Glasfaserstangen gebaut. Im kommerziellen Bereich gibt es von den Motiven her alles, weiß Harich. Bei Kindern gefragt sind vor allem Tiere und Comicfiguren. Erwachsene können aus allen möglichen Kastenformen wählen. Die Drachenszene setzt auf Eigenkreationen. "Es gibt fast nichts, was nicht fliegen kann", sagt Harich. Die kleinsten Drachen würden unter der Lupe bemalt, für die ganz großen bräuchte man mehrere Tonnen Gegengewicht, weil die Fluggeräte eine so hohe Zugkraft entwickeln. "Das sind dann keine Spielsachen mehr, sondern Sport- oder Kunstobjekte", erklärt Harich.
Risiken beim Fliegen
Drachen gibt es als Einleiner, die, wie der Name schon sagt, mit einer Leine geflogen werden. Erhältlich sind sie mit Gestänge oder als gestelllose Drachen, die durch Kammern, die sich mit Luft füllen, Auftrieb erhalten. Lenkdrachen hingegen haben zwei oder vier Leinen. Man kann sie lenken, steigen und sinken lassen, mit ihnen auch Figuren wie Kurven und Loopings fliegen. "Jede Windstärke benötigt einen anderen Drachentyp", sagt Stohanzl. "Je stärker der Wind, desto kleiner die Drachenfläche."
Am Wind liegt es auch, warum Drachen in Österreich vor allem mit dem Herbst in Verbindung gebracht werden. "In dieser Jahreszeit sind die Herbstwinde attraktiv und die Flächen abgemäht", sagt Harich. Weltweit werde aber zu jeder Zeit mit Drachen geflogen.

Neben dem Drachen braucht man eine gute Schnur, zum Beispiel aus Polyester. Je nach Windstärke gibt es auch verschiedene Schnurstärken. Die Schnur wird entweder auf einer Spule oder einem Wickelbrett aufgewickelt. In Österreich darf ein Drachen nicht höher als 100 Meter steigen. Im Umfeld von Flughäfen besteht ein Flugverbot. Außerdem sollte man seinen Drachen nicht in der Nähe von Stromleitungen, Windkraftanlagen und stark befahrenen Straßen steigen lassen. Menschen und Tiere sollten nicht direkt angesteuert und dadurch verunsichert werden. Außerdem sollte bei einem Gewitter der Drachen am Boden bleiben.
Vom Fischen zu Wettbewerben
Der erste Drachen wurde nach jüngsten archäologischen Erkenntnissen in Polynesien entwickelt und bestand aus einem Blatt, Stäben, einer Schnur und einem Angelhaken. Er wurde zum Fischen verwendet. Der Wind sollte den Haken vom Strand wegtragen. Mitunter eine kultische Funktion hatten und haben bis heute Drachen in Asien, wo sie ursprünglich aus Seide, später aus Papier gebaut wurden. Drachen wurden aber auch im Krieg eingesetzt. Im Ersten Weltkrieg dienten sie als Zieldarstellungen für die Fliegerabwehr und als Sperren gegen Tiefflieger. "Im Zweiten Weltkrieg wurden Kastendrachen zum Beispiel auf den Geleitzügen mitgeführt zur Abwehr von Torpedoflugzeugen", weiß Rolf Stohanzl.

Auf Festivals sind Drachen heute in friedlicher Mission unterwegs, wenngleich die Coronapandemie diese Zusammenkünfte zuletzt nicht zuließ. Zu den Festen kommen nationale und internationale Piloten, schildert Fritz Harich, der selbst bei Festivals seine Drachen steigen ließ. Bei den Zusammenkünften werden zum einen Drachen den Besuchern präsentiert, zum anderen geht es den Piloten um die Geselligkeit. Zudem finden Workshops statt.
Für Lenkdrachen gibt es darüber hinaus Wettbewerbe. Zu absolvieren ist ein Pflichtprogramm, bei dem in einer bestimmten Zeit vorgeschriebene Figuren geflogen werden müssen. Beim Ballett steht den Piloten frei, was sie mit ihren Drachen zu Musik vorführen. Eine Jury bewertet beide Durchgänge.