SN.AT / Leben

Gedenken beim Vorbeigehen

Totenbretter an Wegen und Straßen waren und sind Zeichen der Erinnerung und des Gedenkens an Verstorbene.

Heustadel mit Leichbrettern auf dem Weg nach Ramseiden, Saalfelden.
Heustadel mit Leichbrettern auf dem Weg nach Ramseiden, Saalfelden.

Um 1920 soll es im Raum Saalfelden etwa 1200 Totenbretter im öffentlichen Raum gegeben haben: Das sind bis zu eineinhalb Meter lange Bretter, die an häufig begangenen Stellen an Wegen und Straßen angebracht wurden, an Heustadeln und Kapellen, an Bäumen und bei Wegkreuzen, an Zäunen oder Friedhofsmauern.

Die Geschichte der Totenbretter ist die einer langen Entwicklung: Man bahrte Verstorbene waagrecht auf, trug sie auf dem Brett aus dem Haus, ließ sie samt Brett in das offene Grab rutschen und brachte die Bretter nach dem Begräbnis an öffentlichen Stellen an: Man konnte und sollte ihrer beim Vorbeigehen gedenken. Dabei war die Nähe zum Heimathaus nicht immer maßgeblich.

Mit dem Aufkommen der Sargbestattung verloren die Totenbretter vielfach ihre Funktion bei der Aufbahrung, sie dienten aber weiter der Erinnerung. Vom Ersten Weltkrieg bis heute ist in hundert Jahren der Brauch fast abgekommen, in Faistenau gibt es ein spätes Totenbrett aus dem Jahr 2000. Nicht verloren und neu dazugekommen sind andere Zeichen der Erinnerung, man denke an die Kreuze und Erinnerungszeichen an Unfallstellen.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden bei einer Feldforschung Totenbretter in 3585 Orten in Deutschland, Böhmen, Österreich und der Schweiz nachgewiesen, davon 683 in Österreich. Im Salzburger Land gibt es eine besonders hohe Dichte im Mittelpinzgau zwischen Zell am See und Unken, der Brauch ist aber auch im Flachgau verbreitet. Im Tennengau sind Totenbretter in Krispl erhalten.

Höchst unterschiedlich ist die Art der Anbringung: Gibt es im Raum Saalfelden die waagrechte Anbringung, so ist im Flachgau und Tennengau die senkrechte Anbringung der Totenbretter bekannt. Die Formen sind dagegen wenig verschieden, sie sind meist rechteckig und im Flach- und Tennengau oben und unten gerundet.

Im Pinzgau weisen die "Leichbretter" und "Leichladen" neben der Information über die Verstorbenen oft Texte, Gebete und Sinnsprüche zu deren Charakterisierung auf. Auf dem Weg zur Einsiedelei auf dem Palfen stammen diese oft von dem früheren Einsiedler auf dem Palfen, Franz Wienerroither, der 1990 auch die Einsiedlerklause restaurierte.

Ein Beispiel, mit "F. W." gezeichnet, gibt es am Leichbrett des Duxnerbauern Johann Heigenhauser, gestorben 1961, in Saalfelden-Hof:
"Als Bauersmann hab' ich oft das Feld
Mit Pflug und Egge wohlbestellt.
Nun kam der Herr und klopfte an:
Mach Feierabend, Ackersmann!
Ich legt' mein müdes Haupt zur Ruh,
die kühle Erde deckt mich zu."

In Faistenau gab man auf den Totenbrettern an der "Kreuzfichte" nur die Initialen der Verstorbenen und das Todesjahr an. Um wen es ging, konnten wohl nur Passanten aus der Nachbarschaft erkennen. Dazu kamen drei Kreuze und der Wunsch "R. i. P.", "Requiescat in pace"("Er/Sie ruhe in Frieden"). Hier tragen die Bretter auch ein Kruzifix.

In Krispl finden wir die Namen und die Lebensdaten. Das Bild (rechts oben) zeigt die Totenbretter von Stefan und Rosina Weißenbacher vom Göllnergut in Gaißau, verstorben 1965 und 1983, mit dem Zweckhinweis "Christl. Andenk." und dem "R. i. P.". Hier befinden sich die Totenbretter an einer Fichte an der steilen alten Krispler Straße zwischen Gaißau und Krispl.

Totenbretter wollen die Erinnerung sichtbar aufrechterhalten. Die Kultur der Erinnerung ist heute nicht verschwunden. Sie geht nur andere Wege, etwa durch das digitale Anzünden von Kerzen bei Parten im Internet oder die seit Corona intensiv wahrgenommene Möglichkeit des stillen Gedenkens am Sarg oder an der Urne von Verstorbenen vor dem Begräbnis im kleinen Kreis.