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Dieser Trend erobert Österreichs Seen: Fit durch Eisbaden

Der Sport- und Gesundheitstrend, bei eisigen Temperaturen ins kalte Wasser zu steigen, findet immer mehr begeisterte Anhänger.

Eisbaden sorgt für bessere Durchblutung, stärkt das Herz-Kreislauf-System, führt zu erhöhter Fettverbrennung und einem Schwall an Glücksgefühlen.
Eisbaden sorgt für bessere Durchblutung, stärkt das Herz-Kreislauf-System, führt zu erhöhter Fettverbrennung und einem Schwall an Glücksgefühlen.

Das Bild lässt an eine Schar Pinguine auf dem Weg zum Tauchgang denken: Hände eingeklemmt unter den Achseln und Hauben auf dem Kopf wackelt eine Gruppe Hotelgäste in Badesachen in den Zeller See. Frisch gefallener Schnee, der vom Kitzsteinhorn herunterleuchtet, und dünner Eissaum am Seeufer zeigen, dass die übliche Badesaison bereits längere Zeit vorüber ist. "Atmen nicht vergessen!", ruft Christine Segl ihren in den See watenden Schützlingen zu. Segl ist Gastgeberin im Sportresort Alpenblick in Zell am See; seit 2019 bietet sie ihren Gästen im Herbst, Winter und Frühling, "sobald und solange es kalt ist", die Möglichkeit zum Eisbaden für Einsteiger und mehr oder weniger Fortgeschrittene. Eisbaden ist für sie ihre "persönliche Energiequelle" geworden, die sie gerne Interessierten vorstellt, beschreibt sie im SN-Gespräch ihre Motivation, Menschen für den Einstieg in dieses eiskalte Metier zu erwärmen.

"Eisbaden ist für mich ein persönlicher Energiepool."
Christine Segl
Eisbaden-Expertin


Eisbade-Community wächst österreichweit

Zur Frage, wie groß die Eisbade-Community in Österreich ist, gibt es keine verlässlichen Zahlen. Was es aber gibt, sind deutliche Hinweise, die auf ein wachsendes Interesse am Eisbaden als Trend- und Gesundheitssportart schließen lassen. Dazu gehören immer mehr organisierte Gruppen von Eisbadern vor allem in den Seeregionen des Landes - wozu auch Flüsse wie die Alte Donau oder auch Locations wie das Badeschiff in Wien gehören; aber auch Events wie die "Ultra Ice Challenge", wo für den guten Zweck im Eiswasser gebadet wird, nehmen zu; und mittlerweile gibt es auch über ganz Österreich verteilt eine stattliche Anzahl von Anbietern aus dem Sport-, Freizeit- und Tourismusbereich, die das Kältebad, oft begleitet von Atemtechnik-Workshops und mentalem Training, im Programm haben. Für jene, die sich für Eisschwimmen als (Extrem-)Sport interessieren, bietet die österreichische Sektion der International Ice Swimming Association (IISA Austria) Workshops und Kurse.

Wasserbottiche als See-Ersatz

Was das Alter der Eisbader in Österreich anbelangt, reicht dieses vom Jugendlichen bis zum Senior. In Christine Segls Gruppen gehen mitunter auch Kinder zum Eisbaden mit und machen das Eintauchen zum generationenübergreifenden Gemeinschaftserlebnis. Nach dem ersten Ausflug ins kalte Nass habe rund ein Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer genug davon, rechnet Segl vor, während drei Viertel begeistert sind und weitermachen wollen. Wie nachhaltig dieser Vorsatz ist, sieht Segl an WhatsApp-Nachrichten ihrer Gäste, die Fotos von Wasserbottichen auf ihren Balkonen als Zeller-See-Ersatz schicken.

Eine Lettin, die in Segls Sporthotel als Masseurin arbeitete, brachte den Eisbadetrend vor sechs Jahren nach Zell. Davor sei für Segl der See im Sommer oft zu kalt gewesen. Unter Anleitung ihrer Mitarbeiterin aus dem Baltikum stieg die Hotelchefin ins Eisbaden ein. Der damit verknüpfte Effekt, sich in der Vorbereitung und während des Eintauchens "ausschließlich auf den eigenen Körper zu konzentrieren, an nichts anderes zu denken und den Kopf zu entrümpeln", hat es ihr angetan. "Achtet auf den Atem!", hört man sie den mit ihr immer weiter in den See steigenden Gästen regelmäßig in Erinnerung rufen, damit diese als Reaktion auf die Kälte nicht zu hyperventilieren beginnen oder in Schnappatmung verfallen. Um dem Kälteschock vorzubeugen, startet Segl ihre Eisbadetermine mit Aufwärmen am Ufer und davor schon mit Atemübungen im Yogaraum des Hotels. Zur Schulung der Atmung verwendet Segl die Wim-Hof-Methode, benannt nach einem niederländischen Extremsportler, der als Weltrekordhalter im Eisbaden diese Atemtechnik propagiert. Dabei wechselt sich eine aktive Atemphase von 30-, 40-maligem Ein- und Ausatmen mit einer je nach persönlichem Empfinden dauernden Atemanhaltephase ab. Regelmäßige Übungen dieser Atemtechnik und damit einhergehende mentale Fokussierung sollen zu mehr Kältetoleranz verhelfen.

Nie Luft anhalten, nie allein ins Wasser

Für ein sicheres Eisbadeerlebnis dürfe man laut einschlägigen Ratgebern im kalten Wasser jedenfalls nie die Luft anhalten, sondern müsse einen ruhigen, gleichmäßigen Atemfluss beibehalten. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder anderen Vorerkrankungen sollten nur nach ärztlicher Rücksprache ins kalte Wasser steigen. Bei mehr als sechs Teilnehmern nimmt Segl zur Sicherheit noch eine weitere Begleitperson zum Eisbaden mit.

Ein No-Go ist für sie - wie für alle anderen Eisbaderatgeber -, allein zum Baden und noch mehr zum Schwimmen ins eiskalte Wasser zu gehen. Diese Unterscheidung ist Segl wichtig: Mit ihren Gruppen geht sie zum Eisbaden, heißt: Ab einer ausreichenden Wassertiefe gehen die Teilnehmer in die Knie, bis ihre Schultern unter Wasser sind - aber sie schwimmen nicht los. Wenn die oder der Erste das Kaltbad nach zehn, zwanzig, dreißig Sekunden oder länger beendet, geht sie mit der Person aus dem Wasser hinaus. "Ich richte mich nach den Kälteempfindlichsten", sagt sie, "damit kein Wettkampf zwischen den Gästen entsteht, wer es am längsten aushält." Wieder an Land erwarten die Teilnehmer Handtücher und ihre bereits vorher zum schnellen Reinschlüpfen bereitgelegten lockeren Kleidungsstücke.

Einen "Juchzer-Moment" nennt Segl den Augenblick, wenn sie und ihre Gäste wieder aus dem Kaltsee steigen, sich mit Tee aufwärmen und im Geschafft-Gefühl schwelgen. Aus ihrer langjährigen Erfahrung erlebt sie das Eisbaden als "gut für das Gewebe, das Immunsystem und die mentale Stärke".

Damit fasst sie die zentralen gesundheitsfördernden Effekte zusammen, die dem Eisbaden zugeschrieben werden: verbesserte Durchblutung, Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, gesteigerte Fettverbrennung und Glücksgefühle durch den Ausstoß von Adrenalin, Endorphinen und anderen Hormonen. Oder wie Christine Segl das Eisbadeglück in Worte fasst: "Man kommt heraus, fühlt sich so frisch, so voller Energie, so wach."