Es ist ein Arbeitstag wie jeder andere für den Sonnenschutztechniker Wolfgang (Nachname auf Wunsch des Interviewten nicht genannt). Der damals 55-Jährige steigt auf eine Leiter, um eine Jalousie anzubringen. Dann passiert das Unvorhergesehene: Er stürzt von der Leiter, fällt etwa drei Meter in die Tiefe. Ein Unfall, der bei dem Oberndorfer zu einer Lähmung vom Hals abwärts führte. Fünf Jahre später sitzt er mit seiner Ehefrau und der Ergotherapeutin Johanna Vogl im Wohnzimmer. Die Therapeutin hält die Hand von Wolfgang und bewegt sie kreisförmig durch. In weiterer Folge beugt sie Wolfgangs Arm und streckt ihn wieder. "Ich mobilisiere seine Extremitäten", erklärt Johanna Vogl, "auf diese Weise wollen wir seine Beweglichkeit in den Gelenken sowie in den Muskeln erhalten. Das ist wichtig, auch damit keine Schmerzen entstehen."
Bewegungsrepertoire erhalten
Was relativ locker und unkompliziert klingt, bedarf einer kompetenten Fachkraft wie Johanna Vogl: Der Arm lässt sich nur mit sehr viel Kraftaufwand beugen und wieder strecken. "Das liegt daran, dass die Muskulatur so unbeweglich und steif ist", erklärt Wolfgang. Direkt nach dem Unfall war er kaum in der Lage, seine Arme, Beine, Hände und Füße auf irgendeine Weise zu bewegen. Heute hat sich das schon verbessert. Er kann in einer Hand Besteck halten, um es zum Mund zu führen und selbstständig zu essen. Und er kann kurz aufstehen, um mitzuhelfen, sich von seinem Rollstuhl auf die Couch oder ins Bett zu setzen. Errungenschaften, die es dringend zu erhalten gilt. "Vom Arzt wissen wir, dass wir nicht erwarten können, dass es noch große Steigerungen geben wird", sagt Wolfgang, "uns ist deshalb vor allem wichtig, den Ist-Zustand zu erhalten." Denn könnte er Löffel oder Gabel nicht mehr selbst halten, müsste er gefüttert werden - ein weiterer Schritt in die Abhängigkeit, der tunlichst vermieden werden sollte.
Dass Johanna Vogl etwa ein Mal die Woche kommt, zusätzlich zu einem Physiotherapeuten und weiteren Therapien, ist für das Ehepaar eine große Hilfe. Als Ergotherapeutin ist es der Beruf der 32-Jährigen, Menschen, die durch eine Verletzung oder eine Erkrankung eingeschränkt sind, dabei zu helfen, alltäglichen Tätigkeiten wieder nachgehen zu können. "Wir sprechen hier von bedeutungsvollen Tätigkeiten, also allen Handlungen, die für den Menschen individuell entscheidend sind, um möglichst wenig eingeschränkt zu sein", erklärt Johanna Vogl. Um dieses Ziel zu erreichen, verfügt die Therapeutin über ein breites Repertoire an Übungen, um die Feinmotorik zu trainieren. Da gibt es das Vier gewinnt in dreidimensionaler Form zur Förderung der räumlichen Orientierung sowie der Fingergeschicklichkeit. Da gibt es ein Bad aus grobkörnigen Gegenständen wie Linsen für die Hände. Und da gibt es Knetmasse, um die Hände zu kräftigen. Nicht selten übt Johanna Vogl auch die konkrete Tätigkeit mit ihren Klientinnen und Klienten, die diese verbessern möchten.
Selbstständigkeit im Fokus
Zu Anfang von Wolfgangs ergotherapeutischer Behandlung stand ein ausführliches Gespräch. "Wir sind seinen Alltag in einer sogenannten Tätigkeitsanalyse durchgegangen und haben uns angesehen, welche Handlungen zu seinem Alltag gehören und welche Hilfsmittel er dafür benötigt", beschreibt Johanna Vogl, "und wir haben die Ziele besprochen, wie wir erreichen können, dass Wolfgang möglichst selbstständig bleibt."