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Früher Kampfkunst, heute Entspannungstechnik

Tai-Chi bedient sich des Bewegungsrepertoires des Kung-Fu, ist im Kontrast dazu aber langsam und meditativ. Woher die Technik stammt und wie sie heute die Gesundheit fördern kann.

Tai-Chi stammt der Legende nach aus dem 12. Jahrhundert nach Christus und entstand durch eine meditative Ableitung des Kung-Fu.
Tai-Chi stammt der Legende nach aus dem 12. Jahrhundert nach Christus und entstand durch eine meditative Ableitung des Kung-Fu.
Tai-Chi stammt der Legende nach aus dem 12. Jahrhundert nach Christus und entstand durch eine meditative Ableitung des Kung-Fu.
Tai-Chi stammt der Legende nach aus dem 12. Jahrhundert nach Christus und entstand durch eine meditative Ableitung des Kung-Fu.
Tai-Chi stammt der Legende nach aus dem 12. Jahrhundert nach Christus und entstand durch eine meditative Ableitung des Kung-Fu.
Tai-Chi stammt der Legende nach aus dem 12. Jahrhundert nach Christus und entstand durch eine meditative Ableitung des Kung-Fu.

Die Knie sind gebeugt, die Arme formen mit abgewinkelten Ellenbogen einen großen Bogen vor dem Körper. Später wird die Gruppe immer einen Schritt weiter vor den nächsten setzen, mit den Armen Bewegungen ausführen, die viele an asiatische Kampfsportarten wie Kung-Fu erinnern. Der Blick ist ruhig, der Körper wirkt entspannt. Der Trainer macht keine Ansagen - stattdessen zeigt er vor, welche Übung, welche Bewegung als Nächstes an der Reihe ist, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer machen mit. Tai-Chi, wörtlich übersetzt "höchste Lebensenergie" oder auch "das höchste Prinzip", ist eine Abwandlung chinesischer Kampfkunst.

Kung-Fu in langsam

"Wie Kung-Fu in langsam", beschreibt es Tai-Chi-Meister Andreas Werner. Alle zwei Wochen, jeden zweiten Donnerstag, bietet der Oberbayer gemeinsam mit seinem oberösterreichischen Kollegen Klaus Fürst-Elmecker drei Stunden Tai-Chi im Gemeinschaftsraum des Quartiers Riedenburg an: eine Einheit für Anfänger, eine für Fortgeschrittene. Dabei geben sie eine Lehre weiter, die Überlieferungen zufolge bereits seit vielen Jahrhunderten in der kaiserlichen Familie Chinas weitergegeben wurde.

"Wie Kung-Fu, aber langsam, mit Fokus auf dem Atem."
Andreas Werner
Tai-Chi-Meister

"Der Legende nach fühlte sich der Kung-Fu-Meister Zhang Sanfeng, der im 12. Jahrhundert nach Christus zur Zeit der Song-Dynastie lebte, im Alter von etwas über 70 alt und hatte nicht mehr die Kraft, so zu kämpfen wie früher", erzählt Werner. "Er verließ daraufhin das Shaolin-Kloster, in dem damals viel gekämpft wurde, und ging in die Berge zu einem berühmten taoistischen Meister, der ihm Meditationsübungen zeigte und beibrachte. Auf diese Weise soll er dann Tai-Chi als Kombination aus Kung-Fu und Meditation geschaffen haben."

Der Fokus von Tai-Chi liegt nicht mehr im Kampf

Die Bewegungen des Tai-Chi sind damit dieselben, die beim Kung-Fu ausgeübt werden - allerdings in Zeitlupe. Der Fokus liegt heute nicht mehr auf dem Kämpfen, "auch wenn es nach vielen Jahren des Übens theoretisch möglich ist, es für einen Kampf zu verwenden", betont Werner. Stattdessen fand sich in der postmodernen Zeit Tai-Chi als geeignetes Mittel, die körperliche wie auch mentale Gesundheit zu fördern.

Werner und Fürst-Elmecker sprechen von sogenannten internalen Bewegungen. Während Kung-Fu external sei und damit Schnelligkeit und Kraft im Vordergrund stehen, richte sich Tai-Chi nach innen. Die Langsamkeit in der Choreografie helfe dabei, genau auf den eigenen Atem zu achten und diesen in Einklang mit den Übungen zu bringen. "Die Kraft kommt von innen und durch das Atmen", erklärt Fürst-Elmecker, "nicht durch Andrücken und Anziehen mit aller Kraft, sondern durch Leichtigkeit und Fröhlichkeit. Im Laufe der Stunde und auch mit den Jahren wird das immer noch leichter und fröhlicher." Die Bewegungen im Tai-Chi führen die Menschen unweigerlich zur richtigen Atmung, betont Fürst-Elmecker, "wir sagen, das Atmen folgt der Bewegung. Die Choreografie ist so angelegt, dass man auf die richtige Weise atmen muss, die Atmung wird dabei niemals unterbrochen."

"Die Kraft kommt von innen - durch das Atmen."
Klaus Fürst-Elmecker
Tai-Chi-Meister


Gleichgewicht stärken mit Tai-Chi

Die Grundlage der gesundheitsfördernden Wirkung von Tai-Chi beruht auf den sogenannten Meridianen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), berichtet Werner. Gemäß der TCM verlaufen sie als unsichtbare Leitbahnen durch den Körper und stellen damit gewissermaßen die miteinander verbundenen Kanäle dar, durch die die Lebensenergie (Chi oder Qi) fließt. Sind die Bahnen frei, ist auch der Fluss intakt und somit die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen - so die Theorie. Moderne wissenschaftliche Untersuchungen fanden allerdings bisher keine stichhaltigen Beweise für die Existenz des Qi oder des Meridiansystems.

Wohl aber belegen Studien, dass sich regelmäßiges Tai-Chi-Training positiv auf den Gleichgewichtssinn auswirkt und damit eine geeignete Prävention gegen Stürze darstellt. Neben der Beanspruchung nahezu aller Muskelgruppen werden auch die Beweglichkeit, die Koordination und das Herz-Kreislauf-System geschult. Der meditative Aspekt, immer wieder die gleichen ruhigen Übungen auszuführen und sich auf den Atem zu konzentrieren, kann dabei unterstützen, den Blutdruck zu senken, Stress zu reduzieren und chronische Schmerzen zu lindern.

"Komme dabei zur Ruhe"

Burkhard Stadlmann ist seit den acht Jahren, in denen Fürst-Elmecker und Werner Tai-Chi anbieten, mit dabei. "Ich habe damals etwas gesucht, um stressige Situationen besser bewältigen zu können", berichtet der 67-jährige Elsbethner. Auf eine Empfehlung hin meldet er sich an und findet Gefallen an den sanften und doch durchaus fordernden Übungen. "Mir gefallen die Bewegung und die Konzentration, die man für sie aufbringen muss. Ich finde es immer wieder faszinierend, was das mit dem Körper tut, wie alles geschmeidiger wird, wenn man sich richtig bewegt." Im Tai-Chi finde er einen Ausgleich zur Arbeit, "ich komme dabei zur Ruhe".

"Da Gefühl von Einssein mit mir liebe ich sehr."
Birgit Stern
Körperpsychotherapeutin

Die Erfahrung, Opfer von Gewalt zu werden, war es, die Udo Martin zum Tai-Chi führte. "Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, das zu verarbeiten", sagt der 56-jährige Salzburger. Auch er wurde im Quartier Riedenburg fündig: "Tai-Chi hat mir sehr geholfen. Für mich hat sich da eine ganz neue Welt aufgetan. Es gibt Übungen, mit denen schaffe ich es innerhalb weniger Wochen, wieder Energie zu schöpfen." Auch die 69-jährige Salzburgerin Birgit Stern ist von der chinesischen Körperkunst begeistert, "die Bewegungen sind fließend, ich spüre dabei meine eigene Energie. Das Gefühl von Einssein mit mir selbst liebe ich sehr."