"Carmen, nicht so schnell!", ruft Michael Mayrhofer seiner Kundin zu. Die Läuferin reagiert prompt, nimmt ein gemütlicheres Tempo ein, wirkt dabei sehr konzentriert. Ihr Trainer nickt ihr zu: "Super!" Den Termin am Mittwochabend verpasst Carmen Fuchs nur selten: das Lauftraining im Sportzentrum Rif. Seit 33 Jahren treffen sich hier Läuferinnen und Läufer im Alter von 25 bis 81, um gemeinsam ihrer Leidenschaft zu frönen. Auf ein angeleitetes Krafttraining folgt das gemeinsame Laufen auf der 400-Meter-Bahn, immer begleitet von Anweisungen der Trainerinnen und Trainer vor Ort.
Alles begann mit einer Studie
Vor 33 Jahren zog der Leichtathlet, Fitnesstrainer und Sportwissenschafter Michael "Michi" Mayrhofer gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen den Lauftreff in Rif auf - damals als von Sportmedizinern begleitete Studie. "Wir von der Sportwissenschaft an der Universität Salzburg wollten herausfinden, wie sich die Gesundheit von Menschen verändert, wenn sie ein Mal die Woche Ausdauer und Kraft trainieren", erklärt der heute 62-Jährige. Jeden Mittwochabend, bei Wind und Wetter, stehen die Trainerinnen und Trainer mit ihren Schützlingen draußen, leiten an, korrigieren, motivieren. Im Fokus stehen die gesundheitlichen Daten: Laktatwerte, Herzfrequenz, gemessene Geschwindigkeit. Nicht die reine Leistung steht im Vordergrund, sondern ein gesundes Laufen und ein passendes Training, um Verletzungen und Ermüdungserscheinungen vorzubeugen.
Leidenschaft Laufen: Mit gezieltem Training nach Verletzungen zum Laufen zurück
"Beim Laufen fühle ich mich einfach frei" Verletzungen bremsen viele leidenschaftliche Läufer aus. Michael Mayrhofer und sein Team verfolgen das Ziel, sie wieder fit zu machen.
"Unser Lauftraining beginnt nach Arztfreigabe."
Anfangs auf zwei Monate angelegt, dauert die Studie schließlich zwei Jahre - mit eindeutigen Ergebnissen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die emsig dabeiblieben, profitierten gesundheitlich stark von der wöchentlichen körperlichen Ertüchtigung. Der Grundstein für das Lauftraining ist damit gelegt. Das Treffen erfreut sich mit den Jahren immer größerer Beliebtheit. Einige Firmen springen auf den Zug auf und bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Teilnahme an, auch Privatpersonen schließen sich an.
Josef Mayr war von Anfang an dabei: Seit 33 Jahren ist er der Schützling von Michael Mayrhofer. "Ich war damals im mittleren Alter und mir war klar, dass ich etwas tun sollte, um fit und gesund zu bleiben", berichtet der heute 81-Jährige, "Tennis- und Saunafreunde haben mich angesprochen, ob ich nicht Lust hätte auf ein wöchentliches Training. Wir haben dann alle miteinander rasch Feuer gefangen und der Mittwoch war fortan so obligatorisch wie der Sonntag. Da muss schon etwas Gravierendes sein, dass ich nicht komme."
Laufen: ein Gefühl von Freiheit
Die Bewegung ist Josef Mayr, von seinen Laufkollegen und -trainern liebevoll Beppi genannt, sehr wichtig. Jeden zweiten Tag betreibt der Salzburger Sport, geht auch allein laufen und spielt Tennis. "Beim Laufen fühle ich mich einfach frei, es tut mir gut."
"Das Laufen hilft mir körperlich wie auch mental."
Das Training bei Mayrhofer habe ihn stets dazu motiviert, seine Leistung im gesunden Maße zu verbessern, an seine Grenzen zu gehen, "ohne Druck und ohne Zwang, ganz locker. Michi hat eine sehr gute und effiziente Art, ein Training abzuwickeln." Selbst in schwierigen Zeiten, als sich Josef Mayr einer Krebsoperation unterziehen muss, hört er nicht mit dem Laufen auf. "Mir hat das geholfen, körperlich wie auch mental."
Das Konzept hinter dem Training jeden Mittwoch verfeinerte sich über die Jahre und Jahrzehnte, erzählt Mayrhofer, "wir haben von unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern und unseren Trainerkolleginnen und -kollegen stetig dazugelernt. So haben wir ein eigenes Konzept für das Kraft- und das Lauftraining entwickelt."
Wieder zurück zum Laufen
Entscheidend bei diesem: Es soll Läuferinnen und Läufern nach Verletzungen ermöglichen, den Sport wieder aufzugreifen und fortan möglichst ohne körperliche Probleme ausführen zu können. "Bei uns hat jeder Zweite schon einmal Knieschmerzen gehabt, wir trainieren Leute mit operierten Bandscheiben und Hüftgelenken, beschädigten Kreuzbändern und Menisken, mit Arthrose und vielem mehr." Die Zusammenarbeit mit Sportmedizinerinnen und -medizinern steht dabei im Vordergrund. Denn ist die Freigabe vonseiten des Arztes und des Physiotherapeuten einmal erfolgt, sei besonders nach gröberen Verletzungen noch nicht das Fitnesslevel von vorher wieder gegeben. Auch können Fehler im Laufstil und muskuläre Dysbalancen überhaupt erst zu Verletzungen und Überlastungserscheinungen geführt haben. "Da ist gewissermaßen eine Lücke zwischen der Freigabe des Arztes und der tatsächlichen Sporttauglichkeit, bei der ein gesundes Laufen möglich ist", erklärt Mayrhofer, "und genau da kommen wir ins Spiel. Das ist eine ganz eigene Disziplin."
Auch Carmen Fuchs kehrte durch das Training in Rif wieder zum Laufsport zurück. Nach einer Knieoperation setzte sich die 44-jährige Aniferin das Ziel, mehr Krafttraining in ihren Wochenplan einzubauen und ihren Laufstil zu verbessern, um Fehlbelastungen künftig zu vermeiden. Das Training bei Mayrhofer und seinen Kolleginnen und Kollegen helfe ihr dabei sehr. "Sie gehen individuell auf die Verletzungen von jedem Teilnehmer ein und achten auf deren Schwachstellen und Probleme", erzählt sie. Nicht selten sei sie dabei auch schon in ihrem Ehrgeiz gebremst worden. "Ich bin zu viel gelaufen und habe zu wenig ergänzendes Training gemacht. Als ich dann nicht auf die Trainer gehört habe, habe ich mich wieder verletzt." Seither achte sie, die bereits 48 Kilometer am Stück gelaufen ist, mehr darauf, die spezifisch für sie zusammengestellten Kräftigungsübungen mehrmals wöchentlich durchzuführen und auch langsamere Läufe in ihr Training zu integrieren. Der Freude am Laufsport tue das keinen Abbruch, "im Gegenteil, es macht sogar noch mehr Spaß. Ich habe jetzt mehr Hintergrundwissen und eine bessere Technik." Auch die Gruppe motiviere dabei sehr, "ich lasse mich viel von ihnen inspirieren, was sie als Ausgleich zum Lauftraining machen."
Mit Maß und Ziel
Besonders freut Mayrhofer die Diversität der Laufgruppe: "Wir haben Junge und Alte - bei uns sind sogar schon einige über 70-Jährige, Männer und Frauen und alles dazwischen und ganz unterschiedliche Trainingszustände dabei." Während das Grundlagentraining in einem eher gemütlichen Regenerationstempo auch sehr gut allein ausführbar sei, eigne sich für das sogenannte Entwicklungstraining das Laufen in der Gruppe unter Anleitung von Trainerinnen und Trainern besser. Dabei können die Läuferinnen und Läufer mitunter ein Potenzial ausschöpfen, das ihnen selbst nicht bewusst sei. "Wir setzen schon auch auf Leistung - aber in einem gesunden und angepassten Maße. Die Behauptung, Laufen sei a priori schlecht für die Knie, ist Quatsch. Das Training muss ganz einfach angemessen sein und dafür sind wir als Gruppe hier."