"Mental Load": Wie uns die Aufgabenliste im Kopf belastet
Studien zeigen, dass Frauen größtenteils für die nie endende Denkarbeit um Haushalt, Familie, Beruf zuständig sind. Und in Teilzeit zu arbeiten verschärft das Ganze offenbar sogar noch.
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„Mental Load“ ist der Begriff, der diese Fülle an To-dos und somit nie endender Denkarbeit beschreibt.
Die Zahnpasta ist leer, der Kuchen für den Kindergarten gehört gebacken. Die Oma muss zum Arzt gebracht werden und der Wochenendeinkauf gehört geplant. All das sind Erledigungen, die im Kopf herumschwirren. "Mental Load" ist der Begriff, der diese Fülle an To-dos und somit nie endender Denkarbeit beschreibt.
Laut einer Studie, die von Vorwerk Österreich (Thermomix) und dem Meinungsforschungsinstitut TQS vor Kurzem veröffentlicht wurde, fühlen sich 48 Prozent der Mütter stark belastet und 93 Prozent dieser wünschen sich eine Änderung der Arbeitsaufteilung. Doch weshalb trifft Mental Load offenbar Frauen stärker als Männer?
Die Organisation um den Haushalt trifft immer noch die Frauen
Nadine Zwiener-Collins, Forscherin am Institut Politik & Gender, Vielfalt & Gleichberechtigung an der Uni Salzburg, erklärt: "Ein großer Teil der Mental Load hängt mit der Hausarbeit und der Care-Arbeit (Pflege etc., Anm.) zusammen und Frauen waren traditionell für diesen Bereich zuständig. Somit ist es heute noch so, dass die Organisation um den Haushalt auf Frauen zurückfällt." Vielleicht gehe zwar sowohl der Mann als auch die Frau einkaufen. Der Managementteil, also die Organisation darum herum, treffe aber noch immer eher Frauen, sagt Zwiener-Collins.
Die klinische Psychologin Christina Beran unterstreicht dies: "Frauen haben teilweise Aufgaben, die ein Managementsystem benötigen." Es gebe mehrere Teilbereiche wie etwa den Haushalt, bei dem sich wiederum weitere Einzelaufgaben ergeben. "Da ist sehr viel Administration und Verwaltungsaufgabe dahinter, wenn wir das auf die Berufswelt umlegen", sagt Beran.
"Mental Load steigert sich mit Kindern. "
Nadine Zwiener-Collins
Universität Salzburg
Das zeigt auch die aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, bei der 2200 erwerbstätige oder arbeitssuchende Menschen zum Thema Mental Load befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für Mental Load bei Frauen in Teilzeitbeschäftigung höher ist als bei vollzeitbeschäftigten Frauen. Das lässt sich damit erklären, dass Frauen ihre Arbeitszeit oftmals aus Vereinbarkeitsgründen reduzieren. Und dies geht mit einem Mehr an unbezahlter Arbeit, darunter auch kognitiver Arbeit, einher, schreiben die Forscherinnen und Forscher in der Studie. Aber auch von den vollzeitbeschäftigten Frauen sind 57 Prozent für die Planungsarbeit zuständig. Ferner ist die Aufteilung der nie endenden Denkarbeit noch schwieriger, sobald Kinder im Haushalt leben.
Wer kümmert sich, dass die Partner in der Beziehung glücklich sind?
Auch Zwiener-Collins erwähnt, dass sich Mental Load steigere, sobald man Kinder habe. Das liege freilich daran, dass es zusätzlich Arbeit gebe und somit auch weitere Aufgaben (und Menschen), die zu koordinieren seien. Dennoch spielt die mentale Arbeit auch ohne Kinder eine große Rolle: "Das gibt es auch schon vorher - da sich Mental Load nicht nur auf das Haushaltsmanagement bezieht. Es hat auch etwas mit Emotionsarbeit in einer Partnerschaft zu tun, wie etwa, wer sich darum kümmert, dass die Partner in der Beziehung glücklich sind", erläutert Zwiener-Collins. Aber gibt es dabei Unterschiede zwischen den Generationen?
"Es ist ein bisschen wie generell mit Rollenbildern. Man sieht Veränderungen. Es ist nicht mehr so stark ausgeprägt wie vor ein oder zwei Generationen - auch wenn andere Aspekte der Arbeit gerechter verteilt sind, hinkt es bei Mental Load ein bisschen hinterher", sagt Zwiener-Collins. Das habe auch viel mit der Sozialisation zu tun. "Selbst wenn man aus einer Familie stammt, die sehr fortschrittlich und gleichberechtigt ist, wirken die Rollenbilder auf der gesellschaftlichen Ebene nach", ergänzt sie. Auch Psychologin Beran erwähnt, dass der Kontext, in dem wir uns befinden, Auswirkungen habe.
Visualisierung: Aufgaben auf ein Plakat schreiben
Und wie kann man der unsichtbaren Aufgabenliste entgegenwirken? "Es braucht das Gefühl, dass die Verantwortung des Gelingens eine gemeinsame ist", sagt Beran. Das Zusammenleben sei eine Gemeinschaftsunternehmung. "Da gibt es unterschiedliche Aufgaben und Fähigkeiten, die aufzuteilen sind, damit das Rad nicht immer neu erfunden werden muss." Ihr Tipp: die Aufgaben gemeinsam auf ein Plakat zu schreiben, es aufzuhängen und dann abzuarbeiten. Man sei nicht mit endloser Energie gesegnet. Durch die Visualisierung sei klar, welche Aufgaben es gebe. "So könnte man es aus dem Kopf streichen - und das entlastet." Und was gilt auf gesamtgesellschaftlicher Ebene? "Das hängt generell mit tiefer liegenden Rollenvorstellungen zusammen. Deshalb muss man an den Rollenbildern arbeiten", meint Zwiener-Collins. Das gelinge nicht so schnell, weswegen es noch keine Gleichberechtigung gebe. Dennoch ergänzt Zwiener-Collins: "Die Forschung zeigt, dass im Durchschnitt Frauen mehr Mental Load leisten. Aber das trifft natürlich keine Aussage über einzelne Paare. Man kann auch Paare vorfinden, bei denen der Mann genauso viel oder sogar mehr macht."