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Reizdarmsyndrom: Wenn der Darm streikt

Betroffene klagen über regelmäßige Bauchschmerzen und Durchfall oder Verstopfung. Gegen das Syndrom lässt sich einiges unternehmen.

Wenn keine Ursachen für Darmbeschwerden gefunden werden können, handelt es sich häufig um das Reizdarmsyndrom. Fünf bis zehn Prozent der Menschen in Österreich leiden daran.
Wenn keine Ursachen für Darmbeschwerden gefunden werden können, handelt es sich häufig um das Reizdarmsyndrom. Fünf bis zehn Prozent der Menschen in Österreich leiden daran.

Ein stressiger Arbeitstag im Büro, es sind viele Dinge zu erledigen, bevor man pünktlich um 15 Uhr losmuss, um den Nachwuchs rechtzeitig vom Kindergarten abzuholen. Da kommen obendrein wieder diese ominösen, drückenden Bauchschmerzen, gefolgt von Durchfall. "Stress ist ein typischer Faktor für das Reizdarmsyndrom", sagt Monika Ferlitsch. Die Fachärztin für innere Medizin von der MedUni Wien führt bei den genannten Beschwerden eine Reihe von medizinischen Untersuchungen durch, darunter die des Stuhls auf Entzündungen sowie eine Darmspiegelung. Auch auf Nahrungsunverträglichkeiten und -allergien, so beispielsweise auf eine Laktoseintoleranz oder Zöliakie, werden betroffene Patientinnen und Patienten getestet. "Ich handle dann nach dem Ausschlussverfahren, um keine Erkrankung oder Unverträglichkeit zu übersehen. Kommt bei alldem nichts heraus, so handelt es sich häufig um das Reizdarmsyndrom", erklärt Ferlitsch. Eine Diagnose, die nicht selten gestellt wird: Weltweit sind laut Studien elf Prozent aller Menschen betroffen, in Österreich immerhin fünf bis zehn Prozent, besonders häufig junge Frauen.

Stress kann ein Faktor sein

Wie es zu dem Syndrom kommt und welche Faktoren es verursachen, ist unklar. Eine Rolle scheint Stress zu spielen, ebenso eine genetische und familiäre Veranlagung. Auch die sogenannte Darm-Hirn-Achse, die Verbindung zwischen Darm und Gehirn, ist von Bedeutung: "Sie entscheidet, wie intensiv wir die Tätigkeiten in unserem Darm wahrnehmen", erklärt Ferlitsch. Bei Menschen mit Reizdarmsyndrom ist diese Achse, so nehmen Medizinerinnen und Mediziner an, ausgeprägter als beim Durchschnitt.

Betroffen vom Reizdarmsyndrom kann laut medizinischer Kategorisierung nur jemand sein, der seit mindestens drei Monaten mindestens ein Mal die Woche die Symptome Bauchschmerzen sowie Durchfall oder Verstopfung aufweist, auch Kombinationen aus den beiden Letztgenannten sind dabei möglich. "Betroffene leiden aber meistens deutlich häufiger als ein Mal die Woche unter den Beschwerden", sagt Ferlitsch.

"Darmbezogene Hypnotherapie wirkt besser als Medikamente."
Monika Ferlitsch
Fachärztin für Innere Medizin

Medikamentöse Behandlung

Zwar gibt es kein Heilmittel für das Reizdarmsyndrom. Betroffene sind ihm dennoch nicht schutzlos ausgeliefert. Ein Schritt, um die Situation zu verbessern, ist die Gabe von Medikamenten. "Es kommt immer darauf an, was die dominanten Beschwerden sind", erklärt Ferlitsch, "wenn die Bauschmerzen und -krämpfe im Vordergrund stehen, verschreiben wir krampflösende Mittel. Wenn es eher der Durchfall ist, der Probleme bereitet, können ein für den Darm wirksames Antibiotikum und stopfende Mittel zum Einsatz kommen." Auch Psychopharmaka spielen eine Rolle bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms. "Manche Psychopharmaka beschleunigen die Darmarbeit, andere verlangsamen sie."

Neben verschreibungspflichtigen Medikamenten gibt es auch anderweitige Mittel, die Betroffenen Linderung verschaffen können: Dazu zählen Probiotika, die die Darmflora potenziell verbessern, sowie Pfefferminzöl und Kümmel, die bei einem Blähbauch helfen. "Außerdem ist es wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen."

Die Low-Fodmap-Diät

Im Fall von Verstopfungen durch das Reizdarmsyndrom habe sich eine besondere Diät bewährt, sagt Ferlitsch. Fodmap ist die Abkürzung für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und (and) Polyole. Gemeint sind kurzkettige, fermentierbare Kohlenhydrate, die vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen, so beispielsweise in Produkten mit Weizen, Gerste und Roggen. Nährstoffe, die im Verdacht stehen, gastrointestinale Syndrome auszulösen, zu denen auch das Reizdarmsyndrom gehört.

Die Low-Fodmap-Diät, bei der auf kurzkettige, fermentierbare Kohlenhydrate verzichtet wird, soll beim Reizdarmsyndrom helfen.
Die Low-Fodmap-Diät, bei der auf kurzkettige, fermentierbare Kohlenhydrate verzichtet wird, soll beim Reizdarmsyndrom helfen.

Eine Diät, bei der auf fodmaphaltige Lebensmittel verzichtet wird, soll die Symptome des Reizdarmsyndroms lindern. Das ist deutlich komplexer, als nur auf Weißmehl zu verzichten: So zählen Gurken, Auberginen und Karotten zu fodmaparmen Gemüsesorten, die sich für Menschen mit Reizdarmsyndrom eignen, Spargel, Karfiol und Zwiebeln hingegen zu fodmapreichen, die diese meiden sollten. Orangen, Ananas und Kiwi werden als fodmaparmes Obst eingestuft, Äpfel, Birnen und Wassermelonen als fodmapreich. "Es empfiehlt sich auf alle Fälle, eine Diätologin oder einen Diätologen zurate zu ziehen", sagt Ferlitsch.

Psychotherapeutische Hilfe

Ein wichtiger Schritt in der Therapie von Menschen mit Reizdarmsyndrom sind Gespräche mit einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten. "Es geht darum, den Patientinnen und Patienten zu vermitteln, dass es sich zwar um eine lästige Erkrankung handelt, die aber nicht weiter bedrohlich ist", erklärt Ferlitsch, "sie führt nicht zu Krebs und es gibt auch keine weiteren negativen Konsequenzen." Schrittweise helfe die Psychotherapie dabei, mit den Beschwerden umgehen zu lernen und Symptome sowie Vorboten rechtzeitig zu erkennen, um entsprechend medikamentös einzuschreiten.

Darmbezogene Hypnose

Etwa seit den 1980er-Jahren gibt es eine Hypnosetherapieform, die sich besonders auf den Darm konzentriert. In Wien sei das Verfahren in den letzten Jahren gut durch die Ärztin und Psychotherapeutin Gabriele Moser erforscht worden, berichtet Ferlitsch. Bei der Österreichischen Gesellschaft für Hypnose gebe es sogar eine eigene Ausbildung für die darmbezogene Hypnotherapie. "Wir haben damit bereits sehr gute Erfolge erzielt. Sie wirkt besser als Medikamente."