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Schmerz, Entzündung und Müdigkeit: Die Belastung durch Rheuma

Nicht nur ältere, auch jüngere Menschen können von Rheuma betroffen sein. Die wichtigen Unterschiede. Und wie behandelt wird.

Während die Arthrose eine verschleißbedingte Erkrankung ist, die eher im höheren Alter auftritt, handelt es sich bei der Arthritis um mit dem Immunsystem verbundene Entzündungen, die hauptsächlich bei jüngeren Menschen auftreten.
Während die Arthrose eine verschleißbedingte Erkrankung ist, die eher im höheren Alter auftritt, handelt es sich bei der Arthritis um mit dem Immunsystem verbundene Entzündungen, die hauptsächlich bei jüngeren Menschen auftreten.

Schmerzende Finger- und Handgelenke, Beschwerden in der Wirbelsäule, eine Schuppenflechte auf der Haut: Rheuma kann sich auf vielfältige Art äußern. Daniel Aletaha, Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Medizinischen Universität Wien und Präsident des europäischen Dachverbands für rheumatische Erkrankungen, unterscheidet zwischen dem degenerativen Rheuma infolge einer Abnutzung der Gelenke, auch genannt Arthrose, und dem entzündlichen Rheuma, der sogenannten Arthritis, die aufgrund einer Autoimmunerkrankung in Erscheinung tritt.

Arthrose: Monotone körperliche Belastung und Alter

Besonders Menschen, die durch ihren Beruf oder durch intensiven Sport schwere körperliche Belastungen erlebt haben, neigen schon in einem Alter zwischen 40 und 50 zu Problemen mit Gelenkverschleiß, sagt Aletaha. Auch genetische Faktoren und der weitere Lebensstil spielen eine Rolle. Je höher das Alter, desto wahrscheinlicher seien Beschwerden durch eine Arthrose. "Da gibt es die Faustregel, dass die Zahl der Häufigkeit der Erkrankung in der Bevölkerung dem Lebensalter entspricht. Das heißt: 60 Prozent der 60-Jährigen, 70 Prozent der 70-Jährigen und so weiter. Das wird viele Prävalenzdaten nicht genau treffen, aber zeigt recht deutlich, dass es sich bei der Arthrose um ein altersassoziiertes Phänomen handelt."

Das größte Problem der Betroffenen seien die Funktionsbeeinträchtigungen beim Bewegen und damit einhergehende sozioökonomische Faktoren. "Menschen mit ausgeprägter Arthrose müssen, wenn sie noch im Berufsleben stehen, mehr Krankenstand in Anspruch nehmen, mitunter früher in Pension gehen und sind auch in ihren Freizeitaktivitäten und ihrer Einbindung in die Familie eingeschränkt", erklärt Aletaha. Das wichtigste Ziel der Rheumatologie laute, die Funktionen des Bewegungsapparats und damit auch die Lebensqualität zu erhalten. "Wir versuchen nicht nur, den Schmerz zu lindern, sondern auch, die Gelenke funktionstüchtig zu halten."

Behandlung: Von der sanften Bewegung bis zur Operation

Keinesfalls sollen Arthrosebetroffene "Ruhe geben", sondern sich weiterhin ausreichend bewegen. "Sanfte Sportarten wie Walken und Schwimmen empfehlen sich besonders. Das schmiert die Gelenke, sodass sie länger funktionieren", sagt Aletaha. Auch Ergotherapie sowie physikalische Therapiemaßnahmen wie Massagen sowie Kälte- und Wärmebehandlungen können eine positive Wirkung auf den Bewegungsapparat erzielen.

Die Ernährung spiele eine weitere wichtige Rolle im Kampf gegen verschleißbedingtes Rheuma. Man müsse nicht gänzlich auf Fleisch verzichten oder gar Veganer werden, aber mitunter sei es sinnvoll, den Fleischkonsum zu reduzieren, "gerade wenn man sonst täglich Fleisch isst". Auch Übergewicht, überhöhte Blutfett- und Blutdruckwerte stellen Risikofaktoren für eine Arthrose dar. Hohe Belastungen, beispielsweise eine schwere Einkaufstasche zu heben und zu tragen, seien wiederum nicht ratsam. Zuletzt, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend greifen, sind operative Eingriffe eine Möglichkeit, darunter die Knorpelzelltransplantation.

"Je früher eine Arthritis erkannt wird, desto besser."
Daniel Aletaha
Rheumatologe

Arthritis: Entzündliche Erkrankung in jungen Jahren

Zwar betreffe die altersbedingte Arthrose einen viel größeren Teil der Bevölkerung - sie sei jedoch gleichzeitig weitaus weniger gefährlich als die Arthritis, fährt Aletaha fort. Allerdings seien immerhin 10 bis 12 Prozent der Menschen weltweit von Letzterer betroffen. Im Gegensatz zur Arthrose gehen mit einer Arthritis Entzündungen einher, die Erkrankung betreffe eher jüngere Menschen, auch bereits Kinder und Jugendliche. "Hier unterscheiden wir zwischen zahlreichen Formen, darunter Schuppenflechte, Wirbelsäulenarthritis, Bindegewebserkrankungen, wie Lupus, und Gicht. Die meisten der arthritischen Erkrankungen führen zu Gelenk- oder Muskelschmerzen", beschreibt Aletaha. In jedem Fall sei beim entzündlichen Rheuma das Immunsystem verantwortlich, das sich gerade bei jungen Menschen als besonders aktiv zeigt.

Meist seien genetische Komponenten mitverantwortlich für die Entstehung einer Arthritis. Die Genetik allein sei jedoch nicht ausreichend, damit die Erkrankung zum Ausbruch komme. "Es braucht immer einen von außen kommenden Faktor." Welche dies sein können, dazu gebe es nur wenig Fakten. "Vermutlich sind es in erster Linie bakterielle oder virale Infekte, die das Immunsystem stimulieren und in weiterer Folge zu einer Autoimmunerkrankung führen können - bei Menschen, die dazu eine Veranlagung haben."

Auch Rauchen sei als direkter Auslöser von Arthritis gut nachgewiesen und erhöhe das Risiko für die Erkrankung deutlich. "Rauchen kann in der Lunge bestimmte Eiweiße verändern, woraufhin Antikörper gegen diese veränderten Eiweiße gebildet werden. Diese wiederum sind typisch für eine Arthritis." Für die Gicht, eine stoffwechselbedingte Rheumaerkrankung, seien Übergewicht sowie hohe Blutfett- und Blutdruckwerte typisch.

Schmerzen in Muskeln und Gelenken, starke Müdigkeit

Für die Betroffenen sind arthritische Erkrankungen eine erhebliche Belastungsprobe. Zu Muskel- und Gelenkschmerzen gesellt sich meist eine ausgeprägte Müdigkeit dazu, die den Alltag zusätzlich erschwert. Erkennen lasse sich eine entzündliche rheumatische Erkrankung anhand der Entzündungswerte im Blut, je rascher die Diagnose und die Therapie erfolgten, desto besser. "Je früher wir eingreifen, desto besser sind unsere Ergebnisse", erklärt Aletaha, "deshalb empfehlen wir dringend, bei länger anhaltenden Gelenksbeschwerden den Hausarzt oder die Hausärztin für eine Untersuchung aufzusuchen. Sie überweist im Fall des Falles an die Fachärztin oder den Facharzt weiter." Behandelt werden die Erkrankungen mit zielgerichteten entzündungshemmenden Medikamenten. "Dabei handelt es sich um Antikörper, die bestimmte Botenstoffe im Blut abfangen können, die für die Entzündungen verantwortlich sind. In den vergangenen 20 Jahren haben sich Therapiemöglichkeiten im Bereich der Immuntherapie revolutioniert." Einige der Medikamente werden über Spritzen verabreicht, manche können auch oral eingenommen werden. "Es gibt mittlerweile zum Beispiel Tabletten mit kleinen Molekülen, die zielgerichtet Mechanismen der Entzündung blockieren und die bei den Entzündungsquellen verhindern, dass die ,bösen' Botenstoffe Zellen deaktivieren können."