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Tapes: Schmerzen kunterbunt wegkleben

Kinesiologietapes erinnern nicht nur an Kriegsbemalung. Richtig geklebt, sagen die Streifen vielen Schmerzen den Kampf an.

Die Anwendungsbereiche für Kinesiotapes, die ihren Ursprung in Japan haben, sind vielfältig und reichen von Muskelverspannungen über Haltungsbeschwerden bis zu Blutergüssen.
Die Anwendungsbereiche für Kinesiotapes, die ihren Ursprung in Japan haben, sind vielfältig und reichen von Muskelverspannungen über Haltungsbeschwerden bis zu Blutergüssen.

Am Anfang der bunten Klebestreifen auf Muskeln und Gelenken stand der Wunsch eines japanischen Chiropraktikers, seine schmerzlindernden Hände nach einer Behandlung den Patientinnen und Patienten mitgeben zu können. Kenzo Kase hieß der vor zwei Jahren 80-jährig verstorbene Heilpraktiker, der die kinesiologischen Tapes in den 1970er-Jahren entwickelte. Seine Idee war, Bewegungs- und Haltungsmuster seiner Patienten mithilfe von aufgeklebten Bändern zu unterstützen und Heilungsprozesse so nachhaltiger zu machen. Sportlerinnen und Sportler, die mit den bunten Tapes bei internationalen Wettkämpfen antraten, machten diese Innovation international bekannt. Wobei die Aussagekraft wissenschaftlicher Studien über die Wirksamkeit der Tapes nach wie vor umstritten ist; das liegt laut einschlägigen Fachmeinungen vor allem daran, dass sich die Wirkung der Bänder nur schwer isoliert auswerten lässt. In der (alternativ)medizinischen Praxis, in Physio- und Ergotherapie hat das kunterbunte Kleben jedoch breit Einzug gehalten.

Kinesiotaping ist nichts Exotisches!

Auch Gordana Bammer, die seit gut 15 Jahren in Wals und Salzburg als Physiotherapeutin praktiziert, hat eine Zusatzausbildung in Kinesiotaping absolviert und setzt diese Technik bei ihren Patientinnen und Patienten ein: "Diese Tapes sind etwas, das ich in meiner täglichen Arbeit immer wieder gezielt verwende", sagt sie, "das ist nichts Exotisches, sondern gehört zum Repertoire an Therapiemöglichkeiten dazu."

Als Beispiele, wofür sie die elastischen Bänder verwendet, nennt sie alle Formen muskulärer Dysbalance, wenn das Zusammenspiel zwischen Muskeln und Gelenken nicht mehr einwandfrei funktioniert; weitere Einsatzmöglichkeiten sind für sie Muskelverspannungen oder -zerrungen, genauso wie Schmerzen im Schultergelenk oder der Lendenwirbelsäule; um Heilungsprozesse im Lymphe-Gefäßsystem zu unterstützen, arbeitet sie mit speziellen Klebetechniken.

Physiotapes helfen bei schlechter Haltung

Laut Fachliteratur werden kinesiologische Tapes auch gegen Migräne, Tinnitus, Inkontinenz oder Menstruationsbeschwerden verwendet. Bammer ergänzt diese Liste noch um das Thema Schwangerschaft: So lasse sich mit Tapes auch die mit dem größeren und schwereren Bauch einhergehende Belastung für den Rücken der Mutter gleichmäßiger verteilen. Auch bei Problemen mit schlechter Haltung für den Rücken, die Brustwirbelsäule, Kopf und Nacken verwendet Bammer die bunten Streifen gerne. Nicht zuletzt als Erinnerungsfunktion für Patientinnen und Patienten: "Wenn ich in schlechter Haltung dasitze und merke, wie das Tape am Rücken oder Nacken zieht, dann erinnert mich das: Etwas an meiner Haltung passt nicht." Mit diesem Ansatz steht die Salzburger Physiotherapeutin ganz in der Tradition des japanischen Erfinders der Tapes und seiner Ausgangsidee, die heilenden Hände der Therapeutinnen und Therapeuten quasi auch nach einer Behandlung mitzugeben. "Wenn ich möchte, dass der positive Effekt meiner Massage ein paar Tage länger anhält, gebe ich das Tape unterstützend dazu", nennt Bammer eine weitere Variante dieser weiterführenden Unterstützung der Selbstheilungskräfte via Klebestreifen.

"Tapes sind eine ständige Mikromassage für die Körperstellen."
Gordana Bammer
Physiotherapeutin

Entscheidender Grund für diese anhaltende Wirkung ist die Elastizität dieser Physiotapes, oder wie Bammer die Bezeichnung dieser Klebebänder zum Programm erhebt: "Kinesiotaping heißt übersetzt nicht umsonst bewegtes Kleben. Bei jeder Bewegung massieren die aufgeklebten Bänder die darunterliegenden Gewebeschichten." Das Tape löst an den jeweiligen Körperstellen Zugkräfte aus, beschreibt sie: Die Haut wird angehoben und eine Art Wellendynamik entsteht, die Freiräume zwischen Ober- und Unterhaut schafft. Das vermindert, ihrer Erfahrung nach, den Druck auf die Schmerzrezeptoren, wirkt sich positiv auf Durchblutung und Lymphabfluss aus, was wiederum Faszien, Sehnen und Muskulatur guttut. "Wie eine ständige Mikromassage für die betroffenen Körperstellen und die darunterliegenden Schichten."

Kinesiologietapes sind sehr effektiv bei Blutergüssen

Dass Kinesiologietapes "nachweisbar mechanische Effekte erzielen", zeigt sich für Bammer besonders deutlich, wenn sie damit Blutergüsse behandelt. So wie beim Anbringen der Bänder, um den Lymphfluss anzuregen, damit dieser besser zirkuliere, werden auch bei einem Bluterguss die Tapes fächerförmig geschnitten und wellenförmig aufgeklebt: "Da sieht man richtig schön, wie gut an den geklebten Stellen das Hämatom abtransportiert wird." Auch bestimmte Klebetechniken bei der Behandlung von Narben verwendet sie gerne.

Mit dieser Aufzählung der Klebetechniken beantwortete sich bereits die nächste Frage an die Physiotherapeutin, wie sehr zum Taping Expertise nötig sei. "So ist es jedenfalls nicht", sagt sie, "dass man da oder dort einfach einen Streifen aufklebt, und das hilft dann schon." Um die erwünschten positiven Effekte zu erzielen, müsse man wissen, wie Muskelstränge verliefen und wo man die Bänder ansetze bzw. wieder auslaufen lasse. Gleiches gelte bei den Sehnen.

Kinesiologische Farbenlehre: Was hat es mit den unterschiedlichen Farben der Tapes auf sich?

Bammer folgt den Vorgaben der kinesiologischen Farbenlehre, verwendet rote Töne, die wärmend und aktivierend sein sollen, beispielsweise bei verspannten Muskeln; blaue Tapes bringt sie an, wenn diese zum Beispiel bei Entzündungen kühlende und beruhigende Effekte haben sollen. Genauso habe sie aber schon erlebt, dass Männer rosa Streifen aus Prinzip verweigern oder eine Patientin schwarze Tapes nach einem Tag abnehmen musste - sie hielt diese Farbe nicht aus und bekam noch mehr Schmerzen. "Entscheidend beim Kinesiotaping ist, die Selbstheilung so zu unterstützen, wie es für jede und jeden am passendsten ist", sagt Bammer - und ist mit diesem Zugang auch wieder sehr nah bei der Philosophie des japanischen Erfinders.