Wie Physiotherapie bei Endometriose helfen kann
Endometriose ist eine Erkrankung, die zu sehr starken Periodenschmerzen führen kann. Welche Auswirkungen hat das auf den gesamten Körper - und die mentale Gesundheit?
Monat für Monat starke Schmerzen. So stark, dass alltägliche Dinge wie Zähneputzen, auf die Toilette gehen oder einen Tee machen zu einer Herausforderung werden. Und dann noch die Angst: In einem Tag, in zwei, ist es wieder so weit.
Hannah Thalhammer ist Physiotherapeutin und hat sich auf Endometriose spezialisiert. In ihrer FEMPHYSIO-Praxis in der Alpenstraße in der Stadt Salzburg behandelt sie ihre Patientinnen. Ein Symptom der Endometriose sind sehr starke Periodenschmerzen: "Manche berichten davon, dass sie in Ohnmacht fallen oder sich übergeben müssen." Wie kann die Physiotherapie dabei helfen?
"Ich merke, die Patientinnen kommen mit einer irren Last zu mir", sagt die 27-Jährige. Der erste Termin sei deshalb für die Anamnese reserviert: Thalhammer möchte die komplette Geschichte der Frauen kennen. "Endometriose ist eine Gesamtbelastung für Körper und Seele. Es kommt nicht selten vor, dass Patientinnen zu weinen anfangen - weil sie zum ersten Mal ein Gegenüber haben, das versteht, was da passiert." Thalhammer hat selbst Endometriose.
Gutes Schmerzmanagement wichtig
Bei der Erkrankung, deren Ursache nicht final geklärt ist, kommt Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle vor. Endometriose ist chronisch - und eine Heilung gibt es derzeit nicht. Durch gutes Schmerzmanagement könne jedoch die Belastung verringert werden, sagt die Physiotherapeutin. Aber was bedeutet das genau? "Ich versuche ganz klar mit den Patientinnen abzustecken, welche Beschwerden da sind, in welchem Ausmaß, in welchem Rhythmus." Zentral sei dabei das Schmerzgedächtnis: Erfahre der Körper immer wieder und über einen längeren Zeitraum Schmerz, lernt er diesen. "Schmerz ist grundsätzlich etwas, das im Gehirn entsteht", erläutert Thalhammer. Rezeptoren im Körper werden ab einer gewissen Reizschwelle aktiviert. Diese leiten dann die Information an das Gehirn weiter, wo sie verarbeitet wird: "Das Gehirn entscheidet schlussendlich, ob es Schmerz ist - oder nicht."
Bei Endometriose können Frauen Monat für Monat starke Schmerzen haben. Zusätzlich produzieren die sogenannten Endometrioseherde Substanzen, die die Rezeptoren empfindlicher machen: "Es braucht dann nicht mehr so starke Reize, damit die Schwelle überschritten ist - und im Gehirn kommt immer öfter ,Achtung Gefahr!' an." Der Körper sei in ständiger Alarmbereitschaft. Und die Angst, dass die Schmerzen bald wiederkämen, befeuere die Kaskade.
Beweglichkeit der Organe vergrößern
Thalhammer versucht gemeinsam mit der Patientin, einen Weg aus diesem Kreislauf zu finden. "Der Körper muss verschnaufen können. Deshalb geht es primär darum, den Blutungsschmerz zu verringern." Dabei helfen entweder Schmerzmittel oder ein Hormonpräparat im Langzeitzyklus.
Anschließend könne die körperliche Arbeit beginnen: Bei der sogenannten viszeralen Therapie vergrößert Thalhammer die Beweglichkeit der Organe. "Viele Patientinnen haben auch einen sehr starken Tonus im Beckenboden", sagt die 27-Jährige. Diese Anspannung könne mithilfe einer vaginalen Behandlung verbessert werden.
Nicht allein damit fühlen
Als Thalhammer selbst die Diagnose erhalten hatte, fühlte sie sich ziemlich allein. All jenen, die nun in ähnlicher Lage sind, rät sie deshalb: "Holt euch Hilfe! Lest Bücher, geht zur Physiotherapie, zu einer Diätologin - und auch zur Gesprächstherapie." Denn die Erkrankung ändere vieles - es sei nicht nur ein bisschen Weh an zwei bis drei Tagen pro Monat. "Patientinnen werden schnell zu jenen, die öfter absagen, die selten dabei sind, weil sie es einfach nicht schaffen. Sie müssen sich ständig erklären. Das hat Einfluss auf das Selbstbild." Und Hannah Thalhammer ergänzt: "Wir müssen laut sein. Wir müssen Unterstützung einfordern. Eine von zehn Frauen ist betroffen - das ist bedeutend mehr als nur ein paar."