Ein Jobwechsel oder gar eine Kündigung zählen für viele Menschen zu den größten Einschnitten im Berufsleben. Besonders herausfordernd wird es, wenn Betroffene das 55. Lebensjahr bereits überschritten haben. Noch immer zögern viele Unternehmen, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustellen - zu nah scheint der Pensionsantritt. Gleichzeitig rücken weniger dringend benötigte Fachkräfte am Arbeitsmarkt nach. Experten sprechen bereits von einer "demografischen Zeitbombe", sollte nicht rasch und vorausschauend gehandelt werden.
Bereitschaft der Unternehmen, Ältere einzustellen, fehlt
Hoffnung macht eine aktuelle Studie der Personalberatungsagentur Seher + Partner: Demnach steht die Gesellschaft älteren Mitarbeitenden deutlich offener gegenüber als vielfach angenommen. Sechs von zehn Österreichern (61,5%) sind davon überzeugt, dass ältere Arbeitnehmer aufgrund ihres Know-hows gefragt sind und Unternehmen von ihren Erfahrungen und ihrer Kompetenz profitieren. Vor allem die Älteren, also die 70- bis 75-Jährigen (48,9%), sind dieser Meinung. "Unsere Gesellschaft bewegt sich demografisch in eine Richtung, die wir alle gemeinsam nicht mehr erhalten können. Zu viele ältere Menschen, die noch gesund und fit sind, werden arbeitslos oder beenden ihre Erwerbstätigkeit, aber die Nachfolge fehlt", betont Susanne Seher, geschäftsführende Gesellschafterin von Seher + Partner. "Erhalten also Menschen ab 55 Jahren keinen Job mehr, kann die Lücke an Köpfen und auch an Know-how und Erfahrung von den Jüngeren nicht geschlossen werden. Die Bereitschaft der Unternehmen, Ältere einzustellen, fehlt allerdings leider noch."
Studie zeigt positive Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmer
Dass die Gesellschaft allgemein jedoch sehr positiv älteren Arbeitnehmern gegenüber eingestellt ist, verdeutlichen die Details der Studie. 73,5 Prozent der Babyboomer (Jahrgang 1955 bis 1970) stimmen der Aussage zu, dass Österreichs Unternehmertum profitiert, wenn Ältere eingestellt werden. Auch die 50- bis 59-Jährigen (32,4%) und die 60- bis 69-Jährigen (31,3%) zeigen sich älteren Arbeitnehmern gegenüber sehr positiv gestimmt und sind überzeugt, dass vor allem das langjährige Know-how am Arbeitsmarkt gefragt ist. "Wissen und Erfahrung sind unbezahlbar und natürlich nimmt dies zu, je länger jemand in einer Beschäftigung ist oder einen Beruf ausübt. Junge Menschen, die direkt aus dem Klassenzimmer oder dem Hörsaal ins Arbeitsleben einsteigen, sind eher up to date, müssen sich aber erst mühevoll praktische Kompetenzen aneignen", so Helga Töpfl, geschäftsführende Gesellschafterin bei Seher + Partner. Dass jedoch nur die Hälfte der Gen Z (Jahrgang 1995 bis 2010) der Meinung ist, dass Unternehmen von Älteren profitieren, führt die Expertin darauf zurück, dass den jungen Menschen heute eingedrillt wird, dass die Arbeitswelt ihnen gehört.
Ältere Arbeitnehmer stärken Arbeitsmarkt
Ein internationaler Vergleich zeigt: In Japan werden bis 2031 voraussichtlich fast 40 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 55 Jahre und älter sein. In Italien 32 Prozent, in den USA 25 Prozent und in Großbritannien 23 Prozent. In Österreich sind jedoch Frühpensionen und weitere Anreize für Ältere, den Arbeitsmarkt verfrüht zu verlassen, en vogue. "Es ist ein großer Verlust, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 55 Jahre nicht in Betracht gezogen werden oder auch ,vergessen' werden. Denn sie bringen einiges an Wissen mit, von dem andere Mitarbeitende profitieren können. Ältere Arbeitnehmer werden nicht am Chefposten kratzen oder dergleichen. Sie wollen ,einfach arbeiten', weil es ihnen Freude macht und vor allem, weil sie es können und sie gebraucht werden", hebt Töpfl die Vorteile hervor, die ältere Beschäftigte mit sich bringen.