Ältere Mitarbeiter sind unmotiviert, lautet ein gängiges Vorurteil. Dabei zeigen Studien, dass erst negative Altersbilder wie dieses dafür sorgen, dass die Einsatzfreude schwindet. Wilhelm Baier: Vorurteile kann man abbauen, indem man Altersbilder hinterfragt. Man muss im Team offen darüber reden, welche Veränderungen das Alter mit sich bringt. Es ist klar, dass man nicht mehr die Muskelmasse hat, dass die Regenerationsfähigkeit abnimmt und etwa Nachtdienste nicht mehr so leicht zu kompensieren sind. Auch die Lerngeschwindigkeit nimmt ab, wenn Menschen älter werden oder lernentwöhnt sind. Vieles ist aber ganz klar auf der Plusseite zu verbuchen: Loyalität, Erfahrung, Risikoeinschätzung.
Welche wichtigen Werte bringen ältere Beschäftigte außerdem mit? Sie lassen in der Regel nicht um fünf den Bleistift oder die Schaufel fallen. Sie sind belastbar, loyal, engagiert - sofern das auch gewürdigt wird. Und sie haben ein breites Erfahrungswissen weiterzugeben.
In den kommenden zehn Jahren gehen die Babyboomer in Pension. Wie sichert man den Wissenstransfer an die nachfolgenden Generationen? Die Hard Facts sind meist ohnehin in irgendwelchen Ordnern abgelegt. Worauf es ankommt, ist, einen Rahmen zu schaffen, in dem das implizite Wissen gehoben werden kann. Dazu kann man je nach Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich dialogorientierte Instrumente einsetzen oder visuelle wie eine Wissenslandkarte. Sie macht sichtbar, welche Tätigkeiten ein Mitarbeitender ausführt, jährlich, monatlich, täglich. In welchen Netzwerken ist er? Welche Kontakte hat er? Diesen Wissenstransfer in der späten Berufsphase aktiv einzuplanen bedeutet für Unternehmen Wertschöpfung und für die Mitarbeitenden Wertschätzung.
Stichwort demografischer Wandel: Ändert der Mangel an Nachwuchs, wie wir mit Älteren umgehen? Ja. In Unternehmen steigt der Druck, auf diese Zielgruppe einzugehen - sie stellt zum Teil einen beachtlichen Teil der Belegschaft. Das ist natürlich mit Aufwand verbunden. Wir wissen aber auch, dass man im betrieblichen Gesundheitsmanagement mittel- bis langfristig für jeden investierten Euro zwei zurückbekommt. Das zahlt sich aus!
Ich begleite Unternehmen dabei zu schauen, welche Voraussetzungen man schaffen kann, damit Ältere eine "Silberkarriere" anstreben können, was etwa heißt, dass sie nach der Pensionierung stundenweise arbeiten. Voraussetzung dafür, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert bleiben, ist eine partnerschaftliche Unternehmenskultur, eine positive Haltung zu den Beschäftigten, die sich nicht erst in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Wenn sich jemand instrumentalisiert fühlt, tut er nicht mit.
Wie bleiben Menschen bis zur Pensionierung und darüber hinaus gesund und leistungsfähig? Menschen wollen produktiv sein. Ob sie es sein können, hängt stark davon ab, ob sie die Arbeitsanforderungen gesundheitlich auch bewältigen können. Da braucht es im Arbeitsleben Initiativen: sinnvolle Abläufe, Rahmenbedingungen, die es erlauben, ungestört und konzentriert zu arbeiten, eine lernförderliche und anregende Arbeitsumgebung.
Wenn jemand körperlich schwere oder auch psychisch und emotional belastende Arbeit leistet, muss man gemeinsam schauen, wo man Entlastung schaffen kann. Das gelingt, wenn die Führung Mitarbeitende aktiv fragt: Was brauchst du, damit du gut bis zur Pensionierung arbeiten kannst und darüber hinaus gesund bleibst? Es geht auch darum, defizitäre Bilder zu bekämpfen, die ältere Mitarbeitende womöglich in sich tragen: Eine Schulung brauche ich nicht mehr, das schaffe ich eh nicht mehr. Ältere Mitarbeitende müssen ermutigt werden, ihre Stärken aktiv einzubringen. Wenn sie zu körperlich anstrengender Arbeit nicht mehr in der Lage sind, kann man überlegen, ob man sie vermehrt in einer Mentoren- oder Schulungstätigkeit einsetzen kann. Die Bedürfnisse von Menschen wahrzunehmen ist außerdem spürbare Anerkennung, Wertschätzung.
Welche Verantwortung haben Unternehmen älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber? Die Verantwortung ist eine geteilte. Die Frage ist: Welche Voraussetzungen braucht es, damit Menschen arbeiten können und das auch wollen? Produktivität ist nicht von der Tätigkeit abhängig, sondern von der Organisation der Tätigkeit. Präventivdienst, Arbeitsmediziner, arbeitspsychologische Berater helfen dabei, den Ist-Stand in einem Unternehmen zu erheben, einen Arbeitsfähigkeitsindex. Aus dieser Erkenntnis heraus müssen beide - Mitarbeitende und Firma - etwas dafür tun, damit die Arbeit schädigungsfrei erledigt werden kann. Wichtig ist dabei der offene Dialog.
Wie wichtig ist Anerkennung, wenn es darum geht, Arbeitsfähigkeit und Motivation zu erhalten? Wertschätzung wirkt massiv und kostet wenig. Meiner Erfahrung nach gilt häufig aber immer noch: Nicht geschimpft ist gelobt genug. Diese Haltung setzt auf Untertänigkeit statt Partnerschaftlichkeit und ist natürlich Gift für die Motivation. Wichtig für Ältere ist, dass sie gerecht behandelt werden, dass sie informiert werden. Der Mitarbeitende muss merken: Da ist jemand, der interessiert sich wirklich für mich und nicht nur, weil er muss.
Anerkennung - das weiß man auch aus skandinavischen Studien - ist der wichtigste Faktor für die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit von älteren Beschäftigten. Man weiß, dass sie ihren Pensionsantrittszeitpunkt verschieben, wenn das Führungsklima gut und partnerschaftlich ist. Wenn das Klima nicht passt, sind sie dahin. Das ist der letzte Trumpf, den Mitarbeitende oft haben.
Älterwerden und Ältersein in Arbeit und Gesellschaft.
Konferenz am Montag, 2. Oktober 2023, und Dienstag, 3. Oktober 2023, in St. Virgil Salzburg, Ernst-Grein-Straße 14, 5026 Salzburg.
Infos zur Konferenz "Älterwerden und Ältersein in Arbeit und Gesellschaft"