"Bildung muss das Thema KI dringend und für alle aufgreifen"
Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde - aber oftmals ohne fundierte Kenntnisse darüber. Dazu kommt eine umfassende KI-Skepsis in der Gesellschaft. Die Forschung fordert eine breite Basisbildung.
BILD: SN/CHERDCHAI - STOCK.ADOBE.COM
Die Skepsis gegenüber künstlicher Intelligenz zieht sich quer durch die Gesellschaft - das ist ein zentrales Ergebnis der diesjährigen Ausgabe der Studie zu digitalen Kompetenzen von Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) und Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Auftrag der RTR - Rundfunk- und Telekommunikationsregulierungsbehörde. Das Forschungsteam mit Thomas Steinmaurer und Manuela Grünangerl (PLUS) sowie Dimitri Prandner (JKU) erhebt seit 2022 die Kompetenzen von Österreicherinnen und Österreichern im Hinblick auf alles Digitale, ergänzt um einen jährlichen Schwerpunkt. 2024 lautet dieser, an der umfassenden gesellschaftlichen Diskussion orientiert, "Künstliche Intelligenz" (KI).
Studie zeigt Besorgnis der Menschen über KI
Die repräsentative Studie in Kooperation mit Market Agent zeigt: "Es gibt eine relativ große Gruppe, die hinsichtlich KI eher besorgt ist", sagt Forscher Dimitri Prandner. Das betreffe im Wesentlichen auch alle Bildungs- und Altersschichten (bezogen auf das erwerbsfähige Alter) sowie Einkommensklassen. "Ein großer Teil der Bevölkerung ist einfach sehr skeptisch." Dabei spielen weniger Branchen und Anwendungsgebiete von KI eine Rolle als die Anwendungsarten. So ist beispielsweise der Einsatz in der Medizin nicht viel umstrittener als in anderen Bereichen. Es ist den Menschen wichtig, dass KI vor allem zum Beschaffen und Strukturieren von Information eingesetzt wird, nicht aber beispielsweise als Problemlöser und handlungsanleitende Instanz.
"Die KI-Skepsis zieht sich durch die ganze Gesellschaft."
Dimitri Prandner
Forscher
Dieser größeren Gruppe steht laut Prandner eine kleinere, "vorsichtig ausgedrückt naive Gruppe" gegenüber, die glaubt, "dass KI praktisch alles lösen kann und wird" - von der Klimakrise bis zu Sicherheitsthemen. "Wir haben hier hauptsächlich Personen, die nicht einschätzen können, was KI wirklich kann, wo sie auftritt, wie sie funktioniert - die aber sehr enthusiastisch sind." Im Durchschnitt zeige sich aber einmal mehr, dass Österreich ein technologieskeptisches Land sei, auch wenn ein internationaler Vergleich hier schwierig sei.
Auffällig seien insgesamt auch eklatante Wissenslücken, wenn es um die bereits bestehende Alltagsnutzung von KI in verschiedensten Anwendungen von Übersetzungsprogrammen bis Kunden-Chatbots gehe. Prandner: "Viele Menschen realisieren nicht, bei wie vielen Dingen KI dahintersteckt."
KI-Verständnis fördern und aufklären
Was sollte deshalb getan werden? "Es ist irrsinnig viel an Bewusstseinsbildung und Aufklärung notwendig. Seit einiger Zeit heißt es schon überall KI, KI, KI. Aber das Thema wird oft nicht auf eine Ebene heruntergebrochen, die Menschen gut verstehen können. Stattdessen gibt es viel Angstmache, viele Utopien, wenig faktenbasierte Kommunikation. Es gibt hier auch ein Defizit in der Aufklärungsarbeit."
Forderung an Politik: Bildungssysteme müssen KI integrieren
Die Lösung ist aus Forschersicht klar: Bildung. "Sie muss das Thema dringend und für alle aufgreifen und zeigen, wie man damit umgeht", betont Prandner. "Das Problem dabei ist, dass Bildungssysteme natürlich eine gewisse Trägheit haben. Von November 2022 bis heute gab es eine neue KI-Anwendung nach der anderen - und alles soll möglichst schnell in Bildungsprogramme inkludiert werden, auf allen Ebenen, Schule, Studierende, Weiterbildung. Die Unis tun sich teils noch nicht leicht damit, eigene Positionen zu finden. Was machen Studierende mit KI, was sollen sie machen?"
Niederschwellige Weiterbildungsangebote zum Beispiel von klassischen Weiterbildnern wie Wifi, BFI oder VHS könnten dabei vorerst eine Brücke schlagen, meint Prandner. Zentral sei aber: "Was die breite Bevölkerung betrifft, geht es sehr viel um Basiskompetenzen und die richtige Wahrnehmung der Technologie. Was ist generative KI, was sind sogenannte Large Language Models usw.?" Spezifische Branchenanwendungen seien erst ein möglicher Folgeschritt. Für das KI-Bewusstsein in der Gesamtgesellschaft brauche es vor allem die Basiskompetenz. Auch im "AI Act" der EU, der den Umgang mit KI in der Union regelt, sei Weiterbildung explizit aufgeführt. Es brauche hier die Politik, um das in der Gesellschaft sicherzustellen. Die Umsetzung sei aber alles andere als einfach angesichts des derzeit enormen Bedarfs an Schulung und Weiterbildung und nur einer limitierten Zahl an entsprechenden Expertinnen und Experten.
Hinweis: Detaillierte Ergebnisse zur Studie werden im November in Wien im Rahmen einer Veranstaltung der RTR zu Medienkompetenzen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Masterebene zum Beispiel an der FH Salzburg: KI spielt hier in allen IT-Studiengängen eine Rolle, allen voran im neuen Master "AI for Sustainable Technologies": www.fh-salzburg.ac.at/studium/it