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Coaching-Angebote

Beratungsangebote boomen, deren Qualität ist höchst unterschiedlich. Wie man sich selbst vor Scharlatanen schützt.

Sie nennen sich Business-Guru, Life Coach oder Mentorin und geistern auf der Suche nach "Soulclients" durch LinkedIn, YouTube und TikTok. Beratungsangebote, so sagen sie, haben sie für jede Lebenslage, für jedes Bedürfnis zurechtgeschneidert. Verkauft wird häufig das Ticket zum schnellen Erfolg - und oft genauso häufig heiße Luft. Denn die Qualität dieser Heilsversprechungen aus dem Internet ist höchst unterschiedlich.

Eine Erfahrung, die auch Karin Z. machen musste. Die Grazerin, deren vollständiger Name der Redaktion bekannt ist, überwies mehrere Tausend Euro für ein Mentoringprogramm, das ihr dabei helfen sollte, "ihren Traum zu manifestieren" und das eigene Onlinebusiness voranzutreiben. Nach der Vertragsunterzeichnung gab es statt der erwarteten individuellen Beratung Zugriff auf Lehrvideos mit generischen, vagen Ratschlägen. "Dinge, die man auch gratis auf YouTube bekommt, nur dort in besserer Videoqualität", war Z. rasch ernüchtert. Von dem in Aussicht gestellten Unternehmenserfolg, der sich nach Abschluss der Schulung einstellen sollte, ist sie weit entfernt. "Ich würde das Programm keinem empfehlen, der wirklich etwas lernen möchte oder etwas in diesem Bereich erreichen will", sagt sie.

Coaching ist immer individuell

Die Berufsbezeichnung "Coach" ist in Österreich nicht rechtlich geschützt. Das heißt: Jeder kann sich unabhängig von Qualifikation, Ausbildung und Können als solcher bezeichnen.

Was Indizien dafür sind, dass man dabei ist, einem unseriösen Beratungsangebot aufzusitzen?

"Herausforderungen, vor denen Menschen stehen, sind immer unterschiedlich", erläutert der Wiener Psychotherapeut Gerald Käfer-Schmid, der die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS) leitet. "Ein Coach muss verschiedene Methoden anbieten, um individuell auf die einzelnen Bedürfnisse eingehen zu können.

Will eine Person den Klienten ein Standardprogramm nach Schema F überstülpen, müssen die Alarmglocken schrillen." Ein deutliches Warnsignal sei außerdem, wenn ein Anbieter Druck ausübt, etwa während eines Videocalls auf den sofortigen Abschluss eines Vertrages drängt oder zum Kauf von x Beratungseinheiten. "

Beratung ist ein offener Prozess

Es muss eine Phase geben, wo man ausprobiert, zusammenfindet", so Käfer-Schmid. "Üblicherweise schaut man im Erstgespräch, ob man sich versteht, klärt die Rahmenbedingungen und die Erwartungen ab."

Grundsätzlich sei Coaching eine Beratungsform, die Einzelne, Führungskräfte oder Teams bei der Reflexion unterstützt und dazu ermächtigt, selbstständig Entscheidungen zu treffen, erläutert der Experte, und zwar immer im Kontext Arbeitswelt: "Man analysiert etwa, was gerade nicht ganz rundläuft, lernt, wie man sich in Bereichen mit viel Kunden- oder Klientenkontakt abgrenzt, oder überlegt, wie man eigene Potenziale erkennt und weiterentwickelt."

Vor allem junge Menschen tappen bei Coaching-Angeboten in die Falle von Scharlatanen

Dass das Geschäft mit den Sehnsüchten der Menschen boomt, ist wenig verwunderlich: "Was heute konstant ist, ist die Veränderung. Homeoffice, Umstrukturierungen, neue Computersysteme, die Krisen unserer Zeit - all das macht etwas mit uns", sagt Käfer-Schmid. Selbst für Sicherheit zu sorgen, indem man sein eigener Boss ist, oder den Lebensunterhalt durch Investitionen statt durch Arbeitsstunden für andere zu bestreiten klingt da verlockend. Und lässt vor allem junge Menschen in die Falle von Scharlatanen tappen.

"Unseriöse Angebote schaden der ganzen Branche."
Gerald Käfer-Schmid
Geschäftsführer der ÖVS

So warnt das Europäische Verbraucherzentrum: "Wenn der Guru traumhaftes Einkommen und hohe Renditen garantiert oder ein ,bewährtes System' verspricht, handelt es sich wahrscheinlich um Betrug." Denn die Profiteure der Programme sind letztlich meist nur die Anbieter selbst, beobachtet auch Käfer-Schmid: "Selbst ernannte Coaches verdienen gutes Geld damit, zu horrenden Preisen 08/15-Programme anzubieten, ohne eine Ausbildung zu haben und ohne gute Arbeit zu leisten." Nicht außer Acht lassen dürfe man nämlich, dass diese Schaden - nicht nur im finanziellen Sinne - anrichten können: "Es geht ja um Personen, die Unterstützung brauchen."

Tipps für die Coach-Suche

Der Wiener Psychotherapeut rät Menschen, die aktiv auf der Suche nach einem Coach sind, sich vorab über den Hintergrund der Person zu informieren, etwa indem man deren Homepage kritisch daraufhin untersuche, ob eher die eigenen Umsatzerfolge dargestellt werden oder tatsächlich Arbeitsmethoden.

Auf der sicheren Seite sei man, wenn man seine Beraterin, seinen Berater über Berufsverbände wie den Psychotherapieverband, den Österreichischen Dachverband für Coaching oder die ÖVS sucht. "Hier sind Personen gelistet, die eine gute Ausbildung gemacht haben müssen. Das ist das Aufnahmekriterium."

Was die wachsende Konkurrenz aus den sozialen Medien für zertifizierte Coaches, Psychotherapeutinnen und Co. bedeutet?

"Unseriöse Angebote zerstören letztlich den Coaching-Markt", befürchtet Käfer-Schmid. "Jemand, der auf ein solches reinfällt, viel Geld für ein 08/15-Produkt zahlt oder eine Jobentscheidung trifft, die nicht seine eigene ist, sondern die ihm quasi vorgegeben wurde, wird nicht nur auf diesen einen Coach wütend sein, sondern auf die ganze Branche", lautet sein Fazit.

Gastkommentar Gerhard Furtmüller: Gute Beratung ist heute gefragt

Gerhard Furtmüller ist Experte für Führungskräfteentwicklung und Unternehmenssimulation. Er lehrt am Department für Management an der WU Wien sowie an der Uni Salzburg.
Gerhard Furtmüller ist Experte für Führungskräfteentwicklung und Unternehmenssimulation. Er lehrt am Department für Management an der WU Wien sowie an der Uni Salzburg.

Krisen wie die Veränderungen des Klimas oder jene auf dem Arbeitsmarkt sind gekommen, um zu bleiben. Das ist historisch betrachtet ein bedeutender Unterschied zu Zeiten, in denen temporär eine Krise die Unternehmen bewegt hat und nach deren Bewältigung wieder ein Zustand der wirtschaftlichen Stabilität eingetreten ist. So war bei der Finanzmarktkrise 2008/2009 temporäres Krisenmanagement erforderlich, weil das Misstrauen in den Finanzsektor einen massiven Nachfragerückgang in anderen Branchen, z. B. im Tourismus, auslöste. Die Krise ist aber wieder "gegangen".

Das ist der zentrale Unterschied zur Gegenwart. Nicht eine große Herausforderung, sondern multiple Krisen wirken auf die Unternehmen ein: Die Veränderung der Arbeitsgestaltung durch die zunehmende Digitalisierung beeinflusste Werte der Beschäftigten, Engpässe in der Produktion und am Arbeitsmarkt bestimmen den betrieblichen Alltag. Führungskräfte sind damit mehr denn je in ihrer Leadershipkompetenz gefordert, geeignete Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden.

Eine Forderung kann rasch zur Überforderung werden. Guter Rat ist gefragt. Entsprechende Seminar- und Coaching-Angebote sind vielfältig und unüberschaubar. In dem Beratungsdschungel können Lösungen damit teuer und unbrauchbar werden. Führungskräfte sollten daher folgende Fragen beantworten:

1. Was ist mein zentrales Problem?
2. Verstehe ich das Beratungsangebot?

Wenn die Führungskraft ihren Handlungsbedarf kennt, dann ist das bereits der halbe Weg zur Lösung - besonders in einer Zeit, die voller Herausforderungen ist.